Zeche Radbod
Dieser Artikel beschreibt die frühere Zeche Radbod, zum Baudenkmal Radbod siehe An den Fördertürmen (Radbod), alle anderen Bedeutungen zum Suchwort Radbod siehe Radbod (Begriffsklärung). |
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Die Zeche Radbod war ein Steinkohlen-Bergwerk in Bockum-Hövel. Die Zeche war zwischen 1905 und 1990 in Betrieb. Heute befindet sich auf dem ehemaligen Zechengelände, neben dem soziokulturellen Zentrum Kulturrevier Radbod, das Gewerbe- und Industriegebiet Radbod.
Geschichte
Entstehung
Ab 1899 strebte die Bohrgesellschaft Trier die Verleihung von Grubenfeldern nördlich Hamm an. Am 8. März 1900 legte der Markscheider Wacholder Mutung für das Bohrloch Bockum 1 auf dem späteren Zechengelände ein. Erst 1904 wurden die Felder Bockum 1 und Hövel 1 an die Internationale Bohrgesellschaft in Erkelenz verliehen und zum Steinkohlenbergwerk Trier III zusammengeführt. Dieses wurde von einer gleichnamigen Gesellschaft betrieben. Auf Veranlassung des damaligen Bergwerksdirektors – des aus Carolinensiel in Friesland stammenden Bergassessoren a.D. Heinrich Janssen – wurde die Zeche nach dem friesischen Herzog Radbod genannt.
Teufbeginn für Schacht I auf dem Gelände war am 13. März 1905. Im September erreichte Schacht I die erste Sohle in 717 m Tiefe und wenige Monate später dann auch Schacht II. Die zweite und dritte Sohle wurde auf 772 m bzw. 844 m angelegt. Um den Betrieb zu sichern, wurden drei weitere Felder gemutet und 1905 verliehen. Durch Feldertausch mit der Rheinisch-Westfälischen Bergwerks AG entstanden die Felder Wittekind und Radbod.
Die erste Steinkohleförderung erfolgte zwar bereits im November 1905, die planmäßige Förderung setzte allerdings erst im Oktober 1907 ein. Radbod hatte zu diesem Zeitpunkt 609 Mann Belegschaft und förderte 49.151 t Steinkohle. Ein Teil der heute noch stehenden Tagesanlagen war 1907 bereits fertiggestellt. Der weitere Ausbau wurde unter wie über Tage mit Hochdruck vorangetrieben.
Grubenunglück 1908
Am 12. November 1908 ereignete sich in der Zeche eines der schwersten Grubenunglücke des deutschen Steinkohlebergbaus. Durch eine offene Benzin-Grubenlampe wurde auf der dritten Sohle eine schwere Schlagwetterexplosion ausgelöst. Diese kostete 350 Bergleuten ihr Leben, was nahezu der gesamten Nachtschicht entsprach. An das Unglück und die Toten erinnert die Gedenkstätte Zeche Radbod auf dem Ehrenfriedhof für die Opfer im Hammer Stadtteil Hövel, Ermelinghofstraße.
Die nach der Explosion wütenden Grubenbrände zwangen die Zechenleitung, die Grube bis 200 m über der ersten Sohle zu fluten. Mit dem Sümpfen der Zeche begann man am 17. Dezember 1908, die Arbeiten dauerten bis zum 25. Februar 1909. Dann unternahm man eine erste Grubenfahrt, um die Schäden zu sichten. Bereits im Oktober wurde mit 701 Bergleuten die Förderung wieder aufgenommen, dennoch zogen sich die Aufwältigungsarbeiten bis ins Jahr 1910 hin.
Das Unglück löste eine politische Diskussion über Arbeiterschutzmaßnahmen und Aufsichtspflichten aus, insbesondere wurde ein Arbeitsschutzgesetz gefordert. Als Folge dieses Unglücks wurde im Deutschen Reich angeordnet, dass alle Benzin-Grubenlampen abgeschafft und durch neuartige elektrische Sicherheitslampen ersetzt werden sollten. Zuerst wurden diese auf der Zeche Radbod eingeführt. In Kohle durfte nicht mehr geschossen werden, Hohlräume mussten dicht verfüllt werden.
→ vgl. dazu auch den Hauptartikel Grubenunglück 1908 auf der Zeche Radbod
Ausbau 1910–1945
Ebenfalls ab 1910 begannen die Arbeiten für Schacht III, der auf 782 m abgeteuft wurde. Ab 1911 wurde Schacht IV als Wetterschacht abgeteuft. Am 15. Oktober 1912 wurde eine Kokerei in Betrieb genommen und ergänzte fortan die bereits vorhandenen Tagesanlagen. 1913 wurden auch Anlagen zu Gewinnung von Nebenprodukten wie Teer eingerichtet. Seit 1914 war das Gelände von einer Mauer eingefriedet. In diesem Jahr wurden von 137 Pferden 128 aus der Grube entfernt und durch Druckluftlokomotiven ersetzt.
Für die ersten drei Quartale des Jahres 1916 meldete die Gewerkschaften Trier I-III als Eigentümer der Zeche Radbod eine Steigerung der Förderung seiner beiden Zechen Radbod und Baldur. Es wurden insgesamt 689.416 t gefördert. Zum Vergleichszeitraum des Vorjahres 1915 waren dies 75.250 t mehr. Die Kokserzeugung an den beiden Standorten nahm dagegen leicht ab, und zwar von 214,504 t im Jahr 1915 zu 208.698 t im Jahr 1916.[1]
1916 wurde ein Vertrag mit der Stadt Münster in Westfalen über Ferngaslieferung geschlossen. Präzise acht Jahre nach dem ersten Unglück – am 12. November 1916 – ereignete sich eine weitere, wenn auch weniger folgenschwere Schlagwetterexplosion. Diesmal gab es sechs Todesopfer.
1917 konnte Schacht IV fertiggestellt werden. Erstmalig wurden kriegsbedingt 122 Frauen auf der Zeche beschäftigt. Die Leuchtgaslieferung für Münster begann.
Die Berkwerksgesellschaft Trier III nahm 1919 aufgrund ihrer schlechten finanziellen Situation ein Angebot des Köln-Neuessener-Bergwerksvereins zur Fusion an und wurde diesem zum 1. Januar 1920 angegliedert.
Ab 1923 begann das Abteufen von Schacht V (nach dem derzeitigen Aufsichtsrat Dr. Fritz Winkhaus Winkhausschacht genannt), er fungierte als zentraler Wetterschacht. Ein Brand in der vierten Sohle des Schachtes I am 23. Februar 1923 zwang zur Flutung dieser Sohle, sie musste schließlich ganz aufgegeben werden. Dadurch sank die Fördermenge von 930.278 t (1925/26) auf 564.530t (1926/27). Eine neue vierte Sohle wurde erst 1929 auf 942 m angelegt, 26 m über der alten. Jedoch wurde auf 1090 m eine fünfte Sohle erschlossen.
1930 ging der Köln-Neuessener-Bergwerksverein in der neugegründeten Hoesch-Köln-Neuessen AG auf. Zu Radbod gehörte dabei ein Grubenfeld von 10.966.545 m².
Nach den politischen Ereignissen von 1933 belebte sich das Geschäft durch Aufrüstung im Vorfeld des zweiten Weltkrieges, und deshalb wurde 1936 der Winkhausschacht mit einem Fördergerüst und einer Schachthalle ausgestattet. Im Jahr 1937 wurden erstmals mehr als 1 Mio. (genau 1.046.671) Tonnen Kohle gefördert und 240.397 Tonnen Koks produziert. Zu Beginn des Krieges forderte am 9. Mai 1939 eine erneute Schlagwetterexplosion neun Tote und 15 Verletzte und die Förderung sank durch Kriegsschäden in der Folgezeit beträchtlich. Sie musste nach einem schweren Angriff am 10. März 1945 schließlich am 30. März eingestellt werden. Erst nach dem Einmarsch der Amerikaner am 3. April konnte der Betrieb wieder aufgenommen werden. Die Zeche wurde der Rhine Coal Control unterstellt. Ende 1945 betrug die Jahresförderung nur noch 396.506 t.
Nachkriegszeit
Die Britische Militärregierung übertrug am 21. November 1945 die Zechen der North German Coal Control, die später nach Vereinigung der Westzonen durch die Combined Coal Control Group abgelöst wurde.
Ab 1949 wurde der Winkhausschacht zum Hauptförderschacht ausgebaut, um die Schächte I und II abzulösen. 1951 wurde die Förderung der fünften Sohle von Schacht II zu diesem, auf 5000 Tagestonnen ausgelegten, tieferen Schacht verlegt. 1955 ging die Förderung des Schachtes I auf den Schacht V über. Ab Juli 1956 erfolgte die gesamte Förderung über den Winkhausschacht. 1960 wurde Schacht III aufgegeben und verfüllt.
Durch die Aufteilung des Feldbesitzes der Rheinisch-Westfälischen Bergwerks AG im Jahr 1950 vergrößerte sich der Feldbesitz der Zeche um das Feld Radbod-Fortsetzung und umfasste nun acht Normalfelder (17.456.603 m²).
Im Februar 1952 wechselte erneut der Eigentümer der Zeche. Am 11. Februar wurde rückwirkend zum 1. Januar die Altenessener Bergwerks AG gegründet und verließ den Hoesch-Konzern. Schon im November 1956 wurde Radbod an die Hoesch AG Bergbau angegliedert.
Auf Radbod wurde 1967, erstmals im Ruhrgebiet, ein Streb mit hydraulischen Ausbaugespannen versehen und zusätzlich wurden erstmals Steuerklappen-Reißhakenhobel für den Abbau verwendet. In der Folgezeit wurde ein Pachtvertrag mit dem Bergwerk Heinrich-Robert geschlossen, um südlich der Markscheide ein Feld mit der Größe 1400 mal 250 m erschließen zu können. Durch einen Blindschacht wurde von der fünften Sohle aus eine neue sechste Sohle auf 1235 m erschlossen.
Ruhrkohle-AG (1969–1990)
Nach der Einigung der Bergwerkseigner mit Bund und Ländern im Juni 1968 und Gründung der Ruhrkohle AG wurde Radbod am 30. November 1969 in die RAG überführt und in die Betriebsführungsgruppe 7 mit Sitz in Heessen eingebunden. Die von der RAG angestrebten Betriebskonzentrationen führten zum Zusammenschluss mit der Zeche Werne zu einer Werksdirektion im Jahr 1971. Doch noch bevor Radbod und Werne untertägig durch eine Streckenauffahrung verbunden werden konnten, ging die Zeche Werne durch Neuorganisation in der Zeche Heinrich-Robert auf.
1976 wurde die Koks-Produktion schließlich infolge mangelnder Nachfrage, vor allem durch die Deutsche Bundesbahn und deren Abschaffung ihrer Dampfloks, eingestellt. Insgesamt 280 Mitarbeiter wurden deshalb auf andere Anlagen in der Nachbarschaft verlegt. Die Kokerei wurde kurz danach abgerissen.
1981–1982 standen die Kohlevorräte der Zeche kurz vor der Erschöpfung. Die Energiekrise führte jedoch zur Planung der Nordwanderung in das Feld Donar. Deshalb wurde im Füllort der vierten Sohle nochmals investiert und die bis dahin größte untertägige Kälteanlage eingebaut. Diese wurde bereits 1985 wieder demontiert und nach Übertage verlegt, um die Bewetterungssituation Untertage weiter zu verbessern. Nach Abschluss der Genehmigungs- und Planungsverfahren durch die Bezirksregierung Arnsberg und das Bergamt Hamm am 20. Juni 1986 wurden in der Nähe von Herbern (Gemeinde Ascheberg) nördlich von Hamm-Bockum-Hövel die Schächte VI und VII abgeteuft. Das neue Bergwerk im Feld Donar sollte Personal- und Materialanfahrten übernehmen, die Förderung sollte auf Radbod stattfinden. 1988 war die Auffahrung zwischen den Schächten II und VI bis zum Durchschlag erfolgt.
Schließung (1990–1991)
1989 erzielte das Bergwerk noch mit rund 1.309.793 Tonnen Kohle seine höchste Jahresförderung. Ab dem 1. Januar 1989 wurden die Zechen Westfalen in Ahlen und Radbod zwar weiterhin als getrennte Werke, jedoch in Personalunion geführt. Bereits am 11. April wurde ein „Hauptbetriebsplan zur Betriebsunterbrechung“ auf Radbod aufgestellt und schließlich am 5. Juni 1989 vom Bergamt genehmigt. Damit war das Ende der Zeche beschlossen. In der zweiten Jahreshälfte 1989 wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die die Bereinigung der Tagesanlagen vorbereitete.
Die Zeche wurde mit der Zutagebringung des letzten Wagens Kohle am 31. Januar 1990 stillgelegt. 300 ältere Mitarbeiter wurden in den Vorruhestand geschickt, der Rest der Belegschaft verlegt. Die neuen Schächte VI und VII wurden ihrer Bestimmung nicht mehr zugeführt. Landabsatz und Zechenbahnhof wurden zunächst weiter betrieben. Die Werksdirektion für das stillzulegende Bergwerk ging am 3. Dezember 1990 an die Werksleitung der Zeche Heinrich-Robert über. Die endgültige Schließung erfolgte am 31. Januar 1991. 1992 wurde schließlich auch das Kraftwerk der Steag stillgelegt.
Entwicklung der Beschäftigung
Die Beschäftigtenzahlen entwickelten sich seit Betriebsaufnahme wie folgt:
Jahr | Bergleute | Jahr | Bergleute |
---|---|---|---|
1903 | 162 | 1941 | 2.916 |
1908 | 1.805 | 1943 | 3.963 |
1909 | 701 | 1947 | 3.491 |
1913 | 4.389 | 1950 | 3.851 |
1923 | 4.389 | 1954 | 3.837 |
1928 | 2.531 | 1960 | 2.574 |
1934 | 1.699 | 1974 | 1.463 |
1937 | 2.811 | 1989 | ca. 2000 |
Der Anstieg der Beschäftigtenzahl zwischen 1974 und 1989 ergibt sich aus der Verlegung von Kumpeln aus den vor Radbod geschlossenen Schachtanlagen. Die Beschäftigten wurden im Schließungsjahr 1990 dann auf andere Schachtanlagen im ganzen Ruhrgebiet verteilt oder in den Ruhestand verabschiedet.
Nachnutzung
Nach Freigabe des Geländes durch die Bergaufsicht und einer Sanierung von Altlasten auf dem Betriebsgelände wurde dieses einer Umnutzung zugeführt. Von den Anlagen über Tage bleib nur wenig erhalten. Die Fördergerüste (Modell Klönne) und die Fördermaschinenhallen der Schächte I und II stehen seit dem Jahr 2000 als Industriedenkmäler unter Denkmalschutz.
In einigen Gebäuden des Haupteingangsbereiches befindet sich heute das soziokulturelle Zentrum Kulturrevier Radbod. Der Rest des Geländes wird als Gewerbe- und Industriegebiet Radbod vermarktet und genutzt.
Schacht I und II wurden bereits vor Jahren verfüllt.
Für die Sanierung von Schacht I wurden im Dezember 2011 990.000 € durch das Land NRW bereit gestellt. Im Juli 2012 folgten weitere 300.000 € von Bund und Land für die Sanierung von Schacht II. Laut Pressebericht soll die Gesamtsanierung ca. 3,8 Mio. € kosten.[2]
Als weitere Erinnerung an die Zeche ist eine Dampflok aus dem Baujahr 1906 erhalten geblieben, die von Beginn der 1950er-Jahre bis 1974 als „Radbod 3“ (später D 712) im Einsatz war. Sie wurde durch die Hammer Eisenbahnfreunde betrieben und auf Neben- und Zechengleisen rund um Hamm zu Nostalgiefahrten genutzt. Sie musste Ostern 2017 leider wegen eines Kesselschadens außer Betrieb genommen werden. Aufgrund weiterer umfangreicher Arbeiten an Rahmen, Fahrwerk und Kessel ist eine Wiederinbetriebnahme auf absehbare Zeit leider nicht möglich.
Fotos
Presseberichte
Haltestelle
Literatur
- Pabst, Wolfgang: 350 Männer starben, nun laßt uns tanzen, Herne 1982.
- Stapff/Lippmann: Zeche Radbod in Bockum-Hövel - 50 Jahre, Hamm 1955.
Weblinks
- Zeche Radbod auf den Seiten der Stiftung Industriedenkmal und Geschichtskultur
- Zeche Radbod auf den Seiten der Route der Industriekultur - Themenroute 7 "Industriekultur an der Lippe"
- Die Gedenkstätte zum Grubenunglück 1908 auf den Seiten der Route der Industriekultur - Themenroute 7 "Industriekultur an der Lippe"
Einzelverweise
- ↑ Frankfurter Zeitung und Handelsblatt. 60. Jahrgang, Nr. 302 (31.10.1916).
- ↑ Westfälischer Anzeiger vom 27. Juli 2012 in den Presseberichten