Westfälische Drahtindustrie: Unterschied zwischen den Versionen
RaWen (Diskussion | Beiträge) Keine Bearbeitungszusammenfassung |
Bonni (Diskussion | Beiträge) Keine Bearbeitungszusammenfassung |
||
Zeile 1: | Zeile 1: | ||
{{ | {{Unternehmen | ||
|Name=Westfälische Drahtindustrie | |Name=Westfälische Drahtindustrie | ||
|Logo=WDI_Logo.png | |Logo=WDI_Logo.png |
Aktuelle Version vom 19. März 2024, 17:53 Uhr
- Rechtsform
- GmbH
- Branche
- Draht und Stahl
- Homepage
- http://www.wdi.de/
- Gegründet
- 1856
- Geschäftsführer
- Werner Pampus
- Umsatz
- ca. 470 Mio. € (2003)
- Stand der Daten
- 19.03.2024
Die Westfälische Drahtindustrie oder kurz WDI (entsprechend dem Firmenlogo, das die drei Buchstaben in blau zeigt) ist ein 1856 in Hamm gegründetes Unternehmen der Stahlindustrie mit Firmensitz Hamm in Westfalen. Die WDI wurde seit 1872 als Aktiengesellschaft geführt und ist seitdem mit dem Privileg ausgestattet, das Kürzel für die Gesellschaftsform nicht im Namen führen zu müssen. Die gesamte WDI-Gruppe mit ihren Beteiligungen erreichte im Geschäftsjahr 2003 ein Umsatzvolumen in Höhe von ca. 470 Mio EUR.
Geschichte
Von der Gründung 1856 bis zum Beitritt in den Verband des Krupp Konzerns
1856 gründet Carl Hobrecker das Drahtwerk Hobrecker, Witte & Herbers in Hamm. Das Werksgelände umfasst 60.000m² (6 ha). Es liegt direkt an der Köln-Mindener Eisenbahn und der Landstraße nach Unna und Dortmund im Westen Hamms. Das Drahtwerk ist das erste europäische Werk, in dem man Dampfkraft zur Herstellung von Walzdraht einsetzt. Auf der 1872 stattfindenden Generalversammlung im Gasthof Zum Grafen von der Mark wird beschlossen, das Werk in "Aktiengesellschaft Westpfälischer Draht-Industrie-Verein" umzubenennen. Die Umbenennung erfolgt noch im gleichen Jahr - die Eintragung ins Handelsregister datiert auf den 15. Dezember. In der Kölnischen Zeitung erscheint ein Artikel, in dem die Berliner Handelsgesellschaft mitteilt, dass auf diese Weise "das größte Etablissement der Welt für die Fabrikation von Walzdraht, gezogenem Draht und Drahtnägeln" entsteht. Das Grundkapital der Aktiengesellschaft wird in einem Prospekt der 1870'er Jahre auf 2.000.000 Reichstaler beziffert, aufgeteilt in 10.000 Aktien zu je 200 Reichstalern. Bereits 1874 wird trotz anfänglich schleppenden wirtschaftlichen Erfolgs in Riga ein Werk zur Drahtverfeinerung gegründet. Es trägt den Namen Westfälischer Draht-Industrie-Verein Abteilung Riga. Die Gründung zielt darauf ab, den russischen Markt zu bedienen, dessen große Nachfrage z. B. nach Telegrafendrähten genutzt werden soll. Das Werk (später auch Rigaer Drahtindustrie genannt) geht jedoch mit Kriegsbeginn 1914 verloren. 1882 wird zur Sicherung der Versorgung mit Rohmaterial noch ein Hütten- und Walzwerk in Dalsbruck/Finnland gegründet, das sich jedoch nicht rentiert, da die Zollpolitik den Warentransport behindert. Eine Stahldrahtseilerei entsteht 1889; sie soll den Schiffbau beliefern. Stacheldraht wird vor allem in die Kolonien und nach Übersee verkauft. 1890 schließlich wechselt die Firmierung erneut. Von nun an tritt das Unternehmen unter dem Namen Westfälische Drahtindustrie (Kurzbezeichnung WDI) auf. 1910 wird Eduard Hobrecker - bislang Leiter des Stammwerkes -, Vorstandsmitglied. Die ältere Firmengründung der Hobrecker, Gebrüder Hobrecker von 1820 in Hamm, wird in die WDI übernommen.
Im Verband des Krupp Konzerns (1911-1951)
Im Jahr 1911 tritt die WDI dem Verband des Krupp-Konzerns bei, bleibt aber ein selbstständiges Werk. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges kommt der Betrieb des Werkes in Hamm zum Erliegen. Durch Einberufungen der Mitarbeiter steht nicht genug Personal für die Aufrechterhaltung der Produktion zur Verfügung. Das Werk nimmt wegen des hohen Bedarfs an Drähten für die Armee schon bald den Betrieb wieder auf und beschäftigt in der Folgezeit bis zu 600 Frauen. Noch während des Krieges wird eine Anlegestelle dem Werk gegenüber am Datteln-Hamm-Kanal eingerichtet, um Kohle und Stahl aus dem Ruhrgebiet umschlagen zu können. 1918 kommt es mit Kriegsende zum zeitweiligen Produktions- und Versandstillstand. Das Stammwerk Eduard Hobrecker wird 1921 nach Umbauten am Bahnhof Hamm (Westfalen) unrentabel, da es seinen Eisenbahnanschluss verliert. Die WDI übernimmt die vollständige Belegschaft und Teile der Maschinen. Durch diese Zusammenlegung verbleiben nur noch zwei Großunternehmen der Drahtindustrie in Hamm. Die Firma Eduard Hobrecker wird zunächst als Großhandelsunternehmen weitergeführt. Inflation und Wirtschaftkrise führen zu einem erheblichen Personalabbau nach 1923, zeitgleich sinkt auch die Produktion. Trotzdem beteiligt sich die WDI 1929 an der Bau-Stahlgewebe Düsseldorf. Nach der sog. "Machtergreifung" durch Hitler und die NSDAP kommt es im Hinblick auf die anlaufende Kriegsvorbereitung zu einer leichten Konjunkturerholung bis zum Kriegsausbruch 1939. Während des Krieges liefert das Werk erneut kriegswichtige Produkte und wird zusammen mit dem angrenzenden größten europäischen Güterbahnhof zu einem häufigen Ziel für die alliierten Bombergeschwader. Sie treffen das Werk mit etwa 530 Sprengbomben unterschiedlicher Größe und einer unbekannten Anzahl von Brandbomben. Dies führt dazu, dass 1945 80% der Gebäude auf dem Werksgelände zerstört und 50% der technischen Anlagen unbrauchbar sind. Bereits im Frühjahr 1945 - noch vor der Kapitulation - beginnt der langsame Wiederaufbau. Zwei Jahre nach der Kapitulation 1947 wird bekannt, dass das Hammer Werk zur Demontage als Nummer 117 der Demontageliste vorgesehen ist. Durch ein gemeinsames Vorgehen von Stadt, Vorstand, Betriebsrat sowie Kunden und Lieferanten kann die Demontage abgewendet werden, so dass das Werk 1949 von der Demontageliste gestrichen wird. Bereits 1951 kann der Wiederaufbau des Werkes abgeschlossen werden. Die Produktionskapazität erreicht fast den Vorkriegsstand. Im gleichen Jahr läuft auch der Vertrag mit dem Krupp Konzern ab und das Werk scheidet aus dem Verband aus. Die engen Wirtschaftsbeziehungen mit dem Stahlwerk Rheinhausen bleiben weiter bestehen.
Letzte Jahre der Selbstständigkeit (1951-1964)
1956 feiert man das hundertjährige Bestehen des Werkes Hamm. Neben einer Festschrift erhält die Belegschaft eine Sondergartifikation. Der Aufschwung der jungen Bundesrepublik Deutschland, später das Wirtschaftswunder genannt, trägt auch die WDI. Im Jahr 1964 scheidet mit Walter Hobrecker der letzte Sproß der Gründerfamilie aus dem Vorstand aus, gleichzeitig übernimmt die Friederich Krupp Hüttenwerke AG die Aktienmehrheit. Dies führt zur Eingliederung in den Krupp Konzern und beendet damit die rechtlich selbstständige Stellung als Aktiengesellschaft.
Krupp Hüttenwerke AG (1964-1978)
1969 übernimmt das Unternehmen die Stammkapitalmehrheit (80%) an der Westfälischen Betonstahlgitter GmbH in Hamm. Die WDI wird 1972 mit der Klöckner Drahtindustrie (KDI) zur Vereinigten Drahtindustrie (VDI) - ab 1974 VDG - verschmolzen. Ursächlich hierfür sind Änderungen in den Eigentumsverhältnissen. Bereits 1978 ändert der Kruppkonzern seine strategische Ausrichtung so, dass er seine Interessen im Bereich des Walzendrahtes aufgibt. In der Folge überträgt Krupp die Anteile an der WDI auf die Klöcker-Werke AG, welche der WDI nun den Namen Klöckner Draht GmbH gibt.
Klöckner-Werke AG (1978-1987)
Das Werk findet in den wirtschaftlichen Überlegungen der neuen Konzerns keinen rechten Platz. Als die Klöckner-Werke AG in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, wird ein Verkauf sogar in Teilen an verschiedene Interessenten erwogen. Die Pläne, Teile der Werksflächen zur Errichtung eines Einkaufszentrums an die LEG zu veräußern, scheitern ebenso wie ein Verkauf an die Voest Alpine. Schließlich wird das Werk 1987 an drei Investoren verkauft.
Selbständigkeit (1987-heute)
Die Investoren, die Herren Grosse, Dr. Weiland und Pampus, erweben je ein Drittel der Anteile. Die Firma wird nun wieder unter dem Namen WDI, Westfälische Drahtindustrie GmbH, als mittelständisches Unternehmen geführt. Der Gesellschafter Werner Pampus übernimmt die Geschäftsführung. Wirtschaftlich geht es mit dem Unternehmen wieder bergauf, so dass es bereits 1988 die Edelstahlindustrie Möller in Schwerte erwirbt. Dieser Schritt markiert den Einstieg der WDI in das Blankstahlgeschäft. 1991 folgt der Erwerb der Firma Wilhelm Klören in Hönnigen und 1992 die Übernahme der Draht- und Seilwerke in Rotheburg/Saale aus dem maroden ehemaligen DDR-Volkseigentum. Durch dieses Unternehmen erhält die WDI die Standorte Staßfurt, Zwickau und Wurzen. Auch das Walz- und Ziehwerk Broterode gehört von nun an zum Konzern. Im gleichen Jahr übernimmt die WDI noch die Baustahlgewebebetriebe in Salzgitter, Biebesheim und Büdelsdorf. 1993 wächst der Konzern mit der Übernahme von Trefil Europe Kalthof (ehemals Schmerbeck & Kuhlmann) in Iserlohn weiter. Der Geschäftsführer Werner Pampus übernimmt schließlich 1993 ein weiters Drittel der WDI-Anteile und wird so Mehrheitsgesellschafter. Als Vehikel für die Mehrheitsübernahmen nutzt er dabei seine Holdinggeselschaft PIB. Das letzte Drittel der Anteile geht an die Hamburger Stahlwerke GmbH, die heutige Mittal Steel Hamburg GmbH. Weitere Übernahmen vergrößern in der Folge den Konzern. Der Kauf der Drahtzieherei Gelsenkirchen erfolgt 1998. In 2002 übernimmt der Konzern Roth, Heck und Schwinn in Zweibrücken, 2003 die Nedri Industriedraht (ehemals Thyssen Draht) im Hamm und die Nedri Spanstaal in Venlo (nur anteilig) und letztlich 2005 noch die Freileitungsgesellschaft Berlin.
Die WDI ist heute der größte konzernfreie Drahtproduzent Europas. Daneben besteht eine 30%-Beteiligung an der Nedri Spanstaal in Venlo und eine weitere Beteiligung an einem Werk in Mississauga. Außerdem besteht zur Sicherung der Stahlversorgung eine 50%-Beteiligung über Werner Pampus an Ovako in Finnland. Zu diesem Stahlkonzern mit mehr als 4500 Beschäftigten gehört heute auch das Walzwerk, das die WDI in Dalbruck vor dem ersten Weltkrieg unterhielt.
Brand 2019
Am 22. April 2019 brach gegen Mittag ein Großfeuer in einer Lagerhalle der WDI aus, in der u. a. chemische Beizstoffe gelagert werden. Ursache war, wie sich später herausstellt, Funkenflug bei Schweißarbeiten.[1] Die Rauchwolke war kilometerweit zu sehen. Das Feuer konnte erst gegen 20 Uhr am Abend unter Kontrolle gebracht werden und zwang die Anwohner, Fenster und Türen geschlossen zu halten; teils fand auch eine Evakuierung statt. In der Spitze waren mehr als 400 Retter und Brandbekämpfer vor Ort.[2] Die Halle blieb unbenutzbar – ein Schaden in Millionenhöhe. Ersatzweise errichtete die WDI bis 2020 eine neue Halle auf dem südlichen Werksgelände.
Seit Ende Mai 2022 wurden die 2019 abgebrannte Lagerhalle zwischen Wilhelmstraße und Otto-Brenner-Straße sowie Anbauten des Direktionsgebäudes an der Wilhelmstraße schließlich abgerissen.[3]
Marken
Die WDI vertreibt bzw. vertrieb ihre Produkte im Laufe der Zeit unter verschiedenen Namen. Bekannte Beispiele dafür sind NIROSTA, AROSTIT, KAROSTIT, KAROFIL, FEGENICHT und SECUTRONIK. Ein weiteres Markenzeichen der WDI waren die Blitze des Warenzeichens ZEUS.
Presseberichte
Westfälischer Anzeiger,
1. Juli 2010