Westfälische Freilichtspiele e. V. Waldbühne Heessen
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Die Waldbühne Heessen ist ein Amateur-Freilichttheater im Stadtteil Heessen und bekannt als die besucherstärkste Amateur-Freilichtbühne Deutschlands. 50.000 bis 60.000 Zuschauer finden jährlich den Weg in den Heessener Wald, um sich dort an drei verschiedenen Inszenierungen zu erfreuen. 2023 wurde die viermillionste Besucherin begrüßt.
Die Waldbühne Heessen ist Mitglied im Verband deutscher Freilichtbühnen, dessen Gründung maßgeblich von Anton Funke bereitet wurde. Träger ist der Verein Westfälische Freilichtspiele e. V. Daneben gibt es den Verein zur Förderung der Waldbühne Heessen e. V., der nach eigener Auskunft mehr als 1.000 Mitglieder zählt.[1]
Geschichte
Gegründet wurde die Heessener Waldbühne 1924 unter anderem von den Brüdern Anton und August Funke. Er und sein Bruder sollen im Sommer 1922 die Volksschauspiele in Ötigheim (Süddeutschland) besucht haben und dort inspiriert worden sein. Während der ersten Jahre fanden die Aufführungen im Innenhof vom Schloss Oberwerries statt. Eine Spielschar von ca. 100 Personen nannte sich zunächst nach dem Spielort Naturtheater Oberwerries. Die Erlaubnis kam von Pfarrvikar Eberhard Rörig, Besitzer des Schlosses, der auch das Amt des Vorsitzenden übernahm.[2] In der ersten Spielzeit stand „Elmar“ auf dem Programm (Regie: Anton Funke).
Nachdem der Spielort nach drei Spielzeiten[2] zu klein wurde, wurde mit Unterstützung des Heessener Bürgermeisters[2] ein eigenes Grundstück an der Nordseite des Heessener Waldes gepachtet[2] und später erworben. Auf diesem entstand zunächst eine Holztribüne. Das Auditorium bot 2.000 Menschen Platz und wurde 1928 mit dem Stück „Josef und seine Brüder“[2] eingeweiht. Zugleich wurde auch der Name an den neuen Spielort, den Heessener Wald, angepasst und lautete nun Westfälische Heimatspiele – Waldbühne Heessen.
Bereits 1930 war eine erneute Erweiterung der Tribüne durch Seitenbauten nötig. Nach dem Ausbau fasste sie 3.000 Zuschauer. Zu Beginn der 1930er-Jahre war das Zuschaueraufkommen auf bis zu 85.000 Besucher im Jahr gestiegen.[2] 1931 wurde eine Beleuchtungsanlage ergänzt. Den Vorsitz übernahm nun Pfarrrektor August Schüttken.[2]
1933–1945
Die NSDAP kontrollierte nach ihrer Machtergreifung ab 1933 die Leitung des Theaters und nahm Einfluss auf die Stückauswahl, bei der „vaterländische Themen“ und Klassiker bevorzugt werden sollten. Christliche Stücke mussten aus dem Spielplan weichen.[2]
Heinrich George (Vater von Götz George) soll 1933 auf der Waldbühne eine Aufführung von „Wilhelm Tell“ besucht haben. Da er zur selben Zeit das gleiche Theaterstück in den Westfalenhallen Dortmund zeigte, soll er die Heessener Spielschar für seine Inszenierung angefordert haben. Wegen einer Überschneidung der Spielpläne sei es jedoch, so die offizielle Chronik der Waldbühne, nie dazu gekommen.[2]
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden Amateurbühnen außerdem verpflichtet, arbeitslose Schauspieler zu engagieren. Dadurch wurde Georg Thomalla Teil der damaligen Spielschar und spielte 1937 in der „Hermannsschlacht“ mit.
Am 26. August 1939 musste der Spielbetrieb kriegsbedingt eingestellt werden. Eigentlich hatte man aufgrund des guten Vorverkaufs der Karten für „Das Käthchen von Heilbronn“ erstmals mit 100.000 Zuschauern gerechnet.[2] Die Tribüne soll im Laufe des Krieges für den Bau von Behelfsheimen abgebrochen worden sein. Das Geschäftszimmer sowie die Requisiten- und Kostümräume wurden Opfer der Bombenangriffe.[2]
Nach 1945
Die Einrichtungen der Waldbühne waren durch den Zweiten Weltkrieg unbespielbar geworden. Im Jahr 1946 entschied man sich, wieder Theater zu spielen. Man begann zunächst, Stücke in Sälen der Umgebung aufzuführen. 1948 übernahm Josef Lappe den Vorsitz.
Die auf ca. 150 Mitglieder angewachsene Spielschar wollte im Heessener Wald neu anfangen.[2] 1949 wurde mit dem Stück „Jedermann“ im Heessener Schlosshof erstmals wieder eine Saison Freilufttheater gespielt. Die darauffolgende Saison 1950 fiel zugunsten des Wiederaufbaues der Waldbühne aus. 1951 spielte man die „Jungfrau von Orleans“ wieder vor einer provisorisch errichteten Tribüne im Heessener Wald. 42.000 Zuschauer sollen die Aufführungen gesehen haben.[2] Die Zahlen stiegen in der Folge bis zur Mitte der 50er-Jahre weiter auf 56.000 an, brachen danach jedoch ein und stabilisierten sich erst am Ende der 60er-Jahre auf niedrigem Niveau zwischen 20.000 und 26.000 Zuschauern pro Jahr. 1958 erfolgte aufgrund der Entwicklung die Aufnahme eines Märchens in den Spielplan.[2]
1960–1990
1963 wurde August Funke erster Vorsitzender,[2] der das Amt 1969 an Heinz Frerichmann übergab.
1974 wurde die Bühne um Beschallungs- und Beleuchtungsanlagen ergänzt. 1975 wurde ein zweites Kinderstück ins Programm aufgenommen. Die Regie übernahm Karl Voß, der 1971 Nachfolger von Anton Funke als Präsident des VDF geworden war. Das zweite Kinderstück wurde 1978 vorläufig wieder vom Spielplan gestrichen. Im gleichen Jahr kamen erstmals Funkmikrofone zum Einsatz.[2]
Seit den 70er-Jahren stiegen auch die Besucherzahlen wieder an. Das zweite Kinderstück etablierte sich ab 1980 fest im Spielplan. Heinz Frerichmann führte teilweise in drei Inszenierungen pro Sommer Regie und erhielt später Unterstützung durch Anton Samoschkoff und Werner Waegener.[2] Die Besucherzahlen erreichten Ende der 80er-Jahre wieder die Marke von 60.000. 1983 wurde mit der Studiobühne ein Winterprogramm ins Leben gerufen, das im Spielerheim an der Schloßstraße stattfand.[2]
Pfarrer Elmar Grunwald wurde Ende der 80er-Jahre neuer Vorsitzender. Anatevka war das erste Musical, das gezeigt wurde.
Zur finanziellen Förderung der Waldbühne gründete sich 1989 auf Initiative Robert Hesses der Verein zur Förderung der Waldbühne Heessen e. V. Ein erstes großes Förderprojekt war der Neubau der Tribünenanlage, der Platz für ca. 1700 Gäste, eine zusätzliche Studiobühne, Büros und Umkleideräume, den Requisiten-Fundus und weiteren Funktionsräume beherbergen und das Provisorium von 1951 ersetzen sollte. Geplant wurde die Tribüne schon seit Anfang der 1980er-Jahre von den Architekten Werner Bonnemeyer und Uwe Noweck. Durch den Tod von Werner Bonnemeyer 1986 brachte Uwe Noweck das Projekt allein zu Ende. Die Grundsteinlegung erfolgte am 22. November 1992. Der Tribünenbau wurde 1993, der Innenausbau 1996 fertiggestellt. Der Theatersaal im Inneren wurde erst zur 75-Jahr-Feier (1999) fertig. Seither werden alle Winterstücke hier gezeigt.
Seit 2000
Laut offizieller Chronik bewegten sich die Zuschauerzahlen in den 2000er-Jahren konstant im Bereich der 60.000er-Marke. Die Mitgliederzahl des Vereins soll 280 bis 300 Personen betragen haben. 2004 wurde die Homepage neu aufgestellt.[2]
2015 wurde das Gelände um den Waldbühnenpark inklusive Gaststätte und Live-Bühne erweitert.[2]
Zur Saison 2023 stellte sich der Verein im Frühjahr personell neu auf. Auf Ingeborg Hesse, die das Amt der Vorsitzenden seit 2005 bekleidet hatte, folgte Andreas Brochtrop-Wegerich. Den stellvertretenden Vorsitz übernahm Jens Wawrzyniak von Ex-Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann. Beide schieden nach jeweils mehr als 40 Jahren aus dem Vorstand aus.[3] Am 5. August des gleichen Jahres begrüßte die Waldbühne ihre viermillionste Besucherin. Gisela Handwerk, erhielt auf der Spielfläche einen Blumenstrauß, eine Flasche Sekt und eine Ehrenurkunde geschenkt, die ihr freien Eintritt auf Lebenszeit gewährt.[4]
Vorsitzende
- 1924: Pfarrvikar Eberhard Rörig
- 1931–unbekannt: August Schüttken
- 1946–1948: Anton Funke
- 1948–1963: Josef Lappe
- 1963–1969: August Funke
- 1969–1987: Heinz Frerichmann
- 1987–2004: Elmar Grunwald
- 2004–2005: Thomas Hunsteger-Petermann (kommissarisch)
- 2005–2023: Ingeborg Hesse
- seit 2023: Andreas Brochtrop-Wegerich
Programm
Die Darbietungen der Amateur-Darsteller finden unter freiem Himmel statt, die Spielzeit ist jährlich von Mai bis September. Bis zu 140 Darsteller wirken in den einzelnen Inszenierungen mit und garantieren den hohen Unterhaltungswert der Waldbühne. Besonders beeindruckend sind die Massenszenen und die Liebe zum Detail, die in allen Aufführungen das Publikum begeistern.
In der Regel zeigt die Waldbühne in jeder Saison drei Stücke, darunter eines für Erwachsene (meist Musicals oder klassische Theaterstücke), eines für Familien und eines für Kinder und Schulklassen.
Spielplan 2023
- Sister Act (Premiere: 27. Mai, Regie: Wolfgang Barth)
- Das Sams – Eine Woche voller Samstage (Premiere: 29. Mai, Regie: Sebastian Mester)
- Hilfe, die Orchis kommen (Premiere: 21. Mai, Regie: Andreas Brochtrop-Wegerich).
Spielplan 2022
- Der kleine Horrorladen (Regie: Sebastian Mester)
- Shrek, das Musical (Regie: Dominik Lemke)
- Rabatz im Zauberwald 2, Die Rückkehr des schwarzen Zauberers (Regie: Wolfgang Barth)
Spielplan 2021
Die Saison 2021 wurde aufgrund der COVID-19-Pandemie abgesagt. Die für das Jahr geplanten Stücke wurden im Jahr 2022 aufgeführt.
Spielplan 2020
Die Saison 2020 wurde aufgrund der COVID-19-Pandemie abgesagt. Die für das Jahr geplanten Stücke sollten im Jahr 2021 aufgeführt werden.
Spielplan 2019
- Romeo und Julia (Regie: Wolfgang Barth)
- Madagascar – Ein musikalisches Abenteuer (Regie: Andreas Brochtrop-Wegerich)
- Sinbad, der kleine Seefahrer (Regie: Dominik Lemke)
Spielplan 2018
- Cabaret (Regie: Andreas Brochtrop-Wegerich)
- Dr. Dolittle (Regie: Sebastian Mester)
- Rabatz im Zauberwald (Regie: Dominik Lemke)
Spielplan 2017
- Hello, Dolly (Regie: Sebastian Mester)
- Der Zauberer von OZ (Regie: Wolfgang Barth)
- Das kleine Gespenst (Regie: Andreas Brochtrop-Wegerich)
Spielplan 2016
- Das Wirtshaus im Spessart (Regie: Sebastian Mester)
- Simba, König der Löwen (Regie: Wolfgang Barth)
- Wer ist die Schönste im ganzen Land (Regie: Andreas Brochtrop-Wegerich)
Spielplan 2015
- Robin Hood – Für Liebe und Gerechtigkeit (Regie: Sebastian Mester)
- Pippi Langstrumpf (Regie: Wolfgang Barth)
- Der Räuber Hotzenplotz (Regie: Robert Hesse)
Spielplan 2014
- Sugar, manche mögen’s heiß (Regie: Andreas Brochtrop-Wegerich)
- Arielle, die kleine Meerjungfrau (Regie: Wolfgang Barth)
- SimsalaGrimm – Das Märchenland steht Kopf (Regie: Uwe Hinkmann)
Spielplan 2013
- Les Misérables (Regie: Andreas Brochtrop-Wegerich)
- Ronja Räubertochter (Regie: Sebastian Mester)
- Die kleine Hexe (Regie: Robert Hesse)
Spielplan 2012
- Die Schöne und das Biest (Regie: Wolfgang Barth)
- Tabaluga und Lilli (Regie: Sebastian Mester)
- Cinderella (Regie: Andreas Brochtrop-Wegerich)
Spielplan 2011
- Ein Sommernachtstraum (Regie: Wolfgang Barth)
- Michel aus Lönneberga (Regie: Sebastian Mester)
- Urmel aus dem Eis (Regie: Andreas Brochtrop-Wegerich)
Spielplan 2010
- Oklahoma! (Regie: Wolfgang Barth)
- Peter Pan (Regie: Andreas Brochtrop-Wegerich)
- Das Dschungelbuch (Regie: Sebastian Mester)
Spielplan 2009
- Anatevka (Regie: Robert Hesse)
- Wickie und die starken Männer (Regie: Andreas Brochtrop-Wegerich)
- Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer (Regie: Sebastian Mester)
Trivia
Laut Homepage befinden sich ca. 25.000 Kostüme im ständigen Bestand der Waldbühne. Diese können dort ausgeliehen werden.
Innerhalb der Spielschar wurde der Begriff der „Waldbühnenfamilie“ geprägt. Er soll sinnbildlich für das Verständnis als Verein für die ganze Familie stehen. So sind gerade die großen Massenszenen mit den vielen jungen Akteuren eine Besonderheit des Vereins. Wichtig ist dem Verein auch die gemeinsame Spielfreude – und wenn man gemeinsam Spaß hat, ergeben sich auch viele Freundschaften. Manches geht auch darüber hinaus, manche Ehe hat ihre Wurzel in der Waldbühne und die Kinder können nicht gerügt werden, wenn sie es den Eltern gleich tun. Nicht selten stehen zwei oder gar drei Generationen einer Familie gleichzeitig auf der Bühne.
Bilder
Presseartikel
Haltestelle
Weblinks
Siehe auch
Quelle (in Teilen)
Einzelnachweise
- ↑ „Fördern“ in: waldbühne-heessen.de, zul. abgerufen am 13. August 2023
- ↑ 2,00 2,01 2,02 2,03 2,04 2,05 2,06 2,07 2,08 2,09 2,10 2,11 2,12 2,13 2,14 2,15 2,16 2,17 2,18 2,19 „Entdecken – Geschichte“ in: waldbühne-heessen.de, zul. abgerufen am 13.08.2023
- ↑ „Die Waldbühne Hamm ist gut aufgestellt“ in: lippewelle.de vom 1. März 2023
- ↑ „Gisela Handwerk darf lebenslang kostenlos auf die Waldbühne“ in: wa.de vom 8. August 2023