Synagoge
Die jüdische Synagoge befand sich auf dem Gelände des heutigen Santa-Monica-Platzes in der Martin-Luther-Straße 5a.
Geschichte
Bereits 1831 befand sich auf dem Areal an der Martin-Luther-Straße 5 ein jüdisches Gebetshaus. Die nach den Bauplänen von Julius Lenhartz 1868 errichtete Synagoge wurde am 12. September 1868 eingeweiht. Sie wurde während der Reichspogromnacht am 9. November 1938 geschändet und ausgeplündert. Zum Jahreswechsel 1938/39 wurde die jüdische Gemeinde gezwungen, diese auf eigene Kosten abzureißen.
Reichspogromnacht
Über die Reichspogromnacht in Hamm führt Mechtild Brand S. 213f. aus:
Das Grundstück der jüdischen Gemeinde war im Jahre 1938 mit zwei Gebäuden bebaut. Das war einmal die ehemalige Schule an der Straßenfront, die nur noch zum Religionsunterricht benutzt wurde, seit die Volksschule 1923 aufgelöst worden war. Im Jahre 1933 wurde das Sitzungszimmer der Gemeinde von der Lutherstraße in das Haus des Rechtsanwaltes Dr. Alfred Michaelis in der Hohestraße 59 verlegt. "Hier befand sich damals bis zur Kristallnacht das Gemeindezentrum für kulturelle Arbeit in der Gemeinde, Jugendzentrum, Gemeindeabende, Vorträge, Konzerte, Zusammenkünfte vom Frauenbund usw. Auch eine Bibliothek war vorhanden." So befindet sich nun in der Martin-Luther-Straße eine Wohnung, die 1938 von Nathan und Sara Dahl bewohnt wird... Nathan Dahl ist lange Zeit Kultusbeamter gewesen. Sein Schwiegersohn Kurt Radt war der letzte jüdische Lehrer vor dem Krieg in Hamm, wohnt allerdings in der Grünstraße 6. Im Hinterhof der Schule liegt die Synagoge, die von der Straße aus durch eine enge Einfahrt zugänglich war. Die Bebauung auf der von Südstraße, Martin-Luther-Straße, Sternstraße und Königstraße begrenzten Fläche ist sehr dicht, teilweise Fachwerk. Einer der ersten, von denen Beobachtungen an der Synagoge am Abend des 9.11.38 überliefert sind, ist ein Reporter des Westfälischen Anzeigers. Er befindet sich auf dem Weg zum Bahnhof, hinter dem auf dem Gelände des Sägewerkes Glunz ein Großbrand ausgebrochen ist. Er entdeckt an der Einfahrt zur Synagoge ein paar SS-Leute, die sich dort zu schaffen machen. Als er nachfragt, wird ihm bereitwillig erklärt, dass man die Synagoge anzünden wolle. Der Reporter weist auf die umliegende Bebauung hin und daß die Feuerwehr schon reichlich Arbeit habe. Ob die SS sich von den Argumenten beeindrucken läßt, ist unbekannt. Jedenfalls wird das Gebäude nicht angezündet, sondern "nur" zerstört. Die gesamte Inneneinrichtung wird zertrümmert. Das Gestühl (120 Sitze und Pulte für die Männer und 60 Emporenplätze für die Frauen), der Almenor, der Thoraschrein werden restlos zerschlagen. Die Gebetsmäntel, vermutlich auch die Gebetsbücher, die Thoramäntel und sonstiges Brennbares werden im Hof auf einen Haufen geworfen und angezündet... "Am 18.11.38 erfolgte eine gemeinsame Besichtigung der Synagoge durch Oberbürgermeister Deter, Bürgermeister Leinberger, Baurat Haarmann, Stadtrat Daniel. Bei der Besichtigung wurde eine erhebliche Zerstörung der Wohngebäude ... und der dahinter liegenden Synagoge festgestellt. Das Inventar der Synagoge, die Truppen und Emporen waren zerstört, die Scheiben zerschlagen. Das Synagogengebäude war nicht zerstört." Vom Kultsilber finden sich noch ein paar Reste. "Ebenfalls besichtigte der damalige Museumsdirektor Ludwig Bänfer des hiesigen Museums am 23.11.38 die Synagoge mit einem Vertreter der Staatspolizei. Bei dieser Gelegenheit wurden noch einige Kultgegenstände geborgen und vom Hammer Museum zur Aufbewahrung übernommen.[1] Dort landeten auch andere Dinge aus dem Besitz der Gemeinde.
Am 19. November 1938 erging der Abbruchbefehl an den Vorstand der Synagoge. Der Adressat, Hugo Lindemeyer (Brückstraße 11) befand sich zu diesem Zeitpunkt schon im KZ Oranienburg-Sachsenhausen. So erklärten sich seine Vertreter Noa Meyberg (Widumstraße 47) und Julius Rosenberg (Stiftstraße 6) mit dem Abbruch einverstanden, wiesen aber darauf hin, dass der Gemeinde die finanziellen Mittel fehlten. Sie schlugen vor, der Abbruch solle von der Stadt vorgenommen werden und die Kosten beim etwaigen späteren Kauf des gesamten Grundstücks verrechnet werden. Doch Stadtrechtsrat Daniel, der auch den Abbruchbefehl unterzeichnet hatte, ließ sich nicht darauf ein und stellte fest, dass dieser Grund die Gemeinde nicht von der Verpflichtung zum Abbruch entbinde. Als spätester Anfangstermin für den Abbruch wurde der 24. November 1938 festgesetzt und bei Versäumnis mit Ersatzmaßnahmen gedroht. Diese wurden zum Jahreswechsel auch durchgeführt. Die Stadt übernahm den Abbruch selbst und stellte ihn der jüdischen Gemeinde in Rechnung.
Gedenkstätte
Seit Dezember 2003 erinnert die Gedenkstätte Alte Synagoge auf den Fundamenten dieses historischen Ortes an das jüdische Gotteshaus, die jüdische Schule und die während der NS-Zeit vorgenommene Vernichtung jüdischen Lebens in Hamm.
Gestaltet wurde die Gedenkstätte von dem Künstler Wilfried Hagebölling aus Paderborn. Er umgab die Fläche mit einem zusammenwachsenden Platanengewölbe und setzte schroff rostende Stahlelemente in diesen meditativen öffentlichen Raum.
Quelle
Anmerkungen
- ↑ Diese wurden 1953 an den Landesverband der jüdischen Gemeinden Westfalens übergeben; Skopnik 1995, S. 35.
Literatur
- Mechtild Brand: Die Synagoge hat doch überhaupt nicht gebrannt! Der 9. und 10. November 1938 in Hamm, in: Hammer Lesebuch. Geschichten aus der Geschichte der Stadt, Essen 1991, S. 211-221.
- Andreas Skopnik: Öffnet die Pforten der Gerechtigkeit, Hamm 1995.
- Maik Strothmüller: Der Lange Weg zum Gedenken. Westfälischer Anzeiger vom 09. November 2020 (siehe Zeitungsbericht vom 09.11.2020)