Oberlandesgericht

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Das Oberlandesgericht in Hamm
Oberlandesgericht, Rückseite
Oberlandesgericht aus der Luft
Oberlandesgericht aus der Luft
Oberlandesgericht ca. 1961
Oberlandesgericht ca. 1955

Das Oberlandesgericht in Hamm ist das größte Oberlandesgericht in Deutschland.

Gerichtssitz und -bezirk

Das Gericht hat seinen Sitz in Hamm. In dem rund 21.600 km² großen Gerichtsbezirk leben ca. 8,8 Millionen Menschen. Zum Bezirk gehören - Stand 25.07.2022 - zehn Landgerichte in Arnsberg, Bielefeld, Bochum, Detmold, Dortmund, Essen, Hagen, Münster, Paderborn, Siegen und 77 Amtsgerichte. Die Amtsgerichte in Dortmund und Essen unterstehen als Präsidialamtsgerichte unmittelbar der Verwaltung des Oberlandesgerichts Hamm.

Geschichte

vor 1820

Die Geschichte des Gerichts beginnt im preußischen Kleve: Nach Kleve, lange Jahre Sitz eines bedeutenden Hofgerichts, verlegte die preußische Justizverwaltung im November 1815 die erst zu Beginn des Jahres in Emmerich eingerichtete Oberlandesgerichtskommission. Diese war zuständig für die rechtsrheinischen Gebiete des ehemaligen Herzogtums Kleve (mit den Städten Emmerich, Wesel, Dinslaken und Duisburg). Im Übrigen erstreckte sich ihr Bezirk auf die Gebiete der ehemaligen Grafschaft Mark (mit den Städten Bochum, Hagen und Hamm) sowie Essen, Werden, Limburg, Dortmund, Lippstadt, Broich und Recklinghausen. Aus der Kommission ging im März 1817 das Oberlandesgericht in Kleve hervor.

1820 bis 1848

Die Kabinettsorder des preußischen Königs Friedrich Wilhlem III. vom 20. April 1820 ordnete an, das Oberlandesgericht zum 1. Juli 1820 von Kleve nach Hamm zu verlegen. Grund war u.a., dass Hamm, eine der ersten preußischen Besitzungen in Westfalen, nach 1815 nicht - wie zunächst vorgesehen - Sitz einer Bezirksregierung oder eines Oberlandesgerichts geworden war. Hierfür sollte die Stadt "entschädigt" werden. Sie lag zudem - anders als Kleve - im damaligen Gerichtsbezirk. Dass der königlich angeordnete Umzug fristgerecht "vollzogen" werden konnte, gilt als Verdienst des ersten Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm Friedrich Wilhelm Berthold von Rappard, der den Umzug zuvor als zweiter (Vize-) Präsident des Klever Oberlandesgerichts vorbereitet hatte. Als Gerichtsgebäude des Oberlandesgerichts in Hamm diente ein dem preußischen Staat gehörendes Geschäftsgebäude am Hammer Markt, in dem bis zur französischen Besetzung die preußische Kriegs- und Domänenkammer untergebracht war. Das Oberlandesgericht in Hamm war neben den Oberlandesgerichten in Münster, Paderborn und dem Hofgericht in Arnsberg eines der vier staatlichen Obergerichte der preußischen Provinz Westfalen. Im Hammer Oberlandesgerichtsbezirk wohnten ca. 300.000 Einwohner.

Von Rappard, 1820 im Alter von 71 Jahren zum Oberlandesgerichtspräsidenten berufen, trat zum 30. Juni 1830 in den Ruhestand. Ihm folgte am 04.12.1830 Christian Friedrich Bernhard von Steltzer, der bereits am 28. März 1831 als Präsident an das Oberlandesgericht Halberstadt wechselte und von dem nicht bekannt ist, ob er jemals am Oberlandesgericht in Hamm tätig war. Das Hammer Präsidentenamt übernahm dann am 9. Mai 1831 der 51-jährige Karl August Ferdinand von Scheibler. Dieser wechselte zum 1. Oktober 1840 als Präsident an das Oberlandesgericht nach Münster und übernahm dort auch die Leitung des Revisionskollegiums, an das seinerzeit nach erstinstanzlichen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamm zu appellieren war. Johann Heinrich Wilhelm Lent, zuvor Vizepräsident beim Oberlandesgericht in Münster, wurde am 1. Oktober 1840 als Nachfolger von Scheiblers zum Oberlandesgerichtspräsidenten in Hamm ernannt. Er sollte das Amt bis zu seinem Tode am 12. Februar 1868 nahezu 28 Jahre ausüben und war damit Präsident mit der längsten Amtszeit in der Geschichte des Oberlandesgerichts Hamm.

1849 bis 1879

Die Revolutionsjahre 1848–1849 führten auf der Grundlage der oktroyierten Verfassung des preußischen Königs zu bedeutsamen Veränderungen in der preußischen Gerichtsverfassung und im Gerichtsverfahren. Die preußischen Oberlandesgerichte erhielten die Bezeichnung ʺAppellationsgerichtʺ, was zu Ausdruck brachte, dass sie nur noch Rechtsmittelgerichte waren. In erster Instanz traten kollegiale Kreisgerichte an die Stelle der mit Einzelrichtern besetzten früheren Land- und Stadtgerichte. Zu dem in seiner Größe unveränderten Bezirk des Appellationsgerichts Hamm gehörten fortan 10 Kreisgerichte in Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Hagen, Hamm, Iserlohn, Lüdenscheid, Soest und Wesel. Die Anzahl der Einwohner im Gerichtsbezirk war mittlerweile auf ca. 515.000 gestiegen, eine Folge der beginnenden Industrialisierung im Ruhrgebiet. Am 04.07.1870 feierte das Appellationsgericht Hamm sein fünfzigjähriges Bestehen in Hamm. Der Westfälische Anzeiger in Hamm widmete dem Gericht eine vierseitige Festausgabe. Circa 833.000 Einwohner wohnten jetzt im Bezirk des Hammer Gerichts, das sich zum größten der vier westfälischen Obergerichte entwickelt hatte. Nach dem Tode des Appellationsgerichtspräsidenten Lent am 12. Februar 1868 stand seit dem 1. Juli 1868 Dr. Ludwig Hartmann an der Spitze des Gerichts. Zum Kollegium des Appellationsgerichts gehörten 1870 neben Dr. Hartmann als Präsident ein Vizepräsident und 16 Appellationsgerichtsräte.

1879 bis 1918

Die nach der Gründung des deutschen Reiches am 1. Januar 1879 in Kraft getretenen Reichsjustizgesetze veränderten erneut die Gerichtsverfassung und das Prozessrecht. In nahezu jeder preußischen Provinz wurde ein Oberlandesgericht eingerichtet. Der Bezirk eines Oberlandesgerichts umfasste die Bezirke neu geschaffener Landgerichte, deren Bezirke sich wiederum an den Bezirken der ihnen unterstellten Amtsgerichte zusammensetzten. So entstand die Struktur der heute noch gültigen Gerichtsverfassung in der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

Um das für die Provinz Westfalen zuständige Oberlandesgericht wurde intensiv gestritten. Neben Hamm meldete insbesondere auch Münster Ansprüche auf den Sitz dieses Obergerichts an. Dem damaligen Präsidenten des Appellationsgerichts Dr. Hartmann gelang es, eine Entscheidung zugunsten von Hamm herbeizuführen. Infolge der rasanten industriellen Entwicklung des Ruhrgebiets war der Bezirk des Appellationsgerichts Hamm in den Jahren zuvor zum bevölkerungsreichsten der vier Appellationsgerichtsbezirke geworden. Hinzu kamen die zentrale Lage Hamms in der Mitte der Provinz und die gute Verkehrsanbindung durch zwischenzeitlich ausgebaute Eisenbahnstrecken. Zum Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm gehörten ab 1879 8 Landgerichte in Arnsberg, Bielefeld, Dortmund, Duisburg, Essen, Hagen, Münster und Paderborn sowie 108 Amtsgerichte.

Nach dem Tode des ersten Oberlandesgerichtspräsidenten Dr. Hartmann am 6. Januar 1882 übernahm der ehemalige preußische Kultusminister Exzellenz Dr. Paul Ludwig Adalbert Falk am 1. Juli 1882 das Amt des Oberlandesgerichtspräsidenten in Hamm. Er fand ein seit 1879 aus dem Oberlandesgerichtspräsidenten, vier Senatspräsidenten und 25 Oberlandesgerichtsräten bestehendes Obergericht vor. In seiner Amtszeit wurde 1892 der Landgerichtsbezirk Bochum ins Leben gerufen. In den Jahren 1890 bis 1894 entstand ein neues Gerichtsgebäude am damaligen Friedrichsplatz in Hamm, in das am 4. Juli 1894 das Hammer Oberlandesgericht, das Amtsgericht und die Generalstaatsanwaltschaft einzogen.

Auf Dr. Falk, der am 7. Juli 1900 in Hamm starb und auf dem Ostenfriedhof in Hamm beigesetzt wurde, folgte Exzellenz Dr. Anton Holtgreven als neuer Oberlandesgerichtspräsident. Seine Amtszeit waren die letzten Jahre des Kaiserreichs, ein – auch nach der Abtrennung des Landgerichtsbezirks Duisburg im Jahre 1906 – zunehmender Geschäftsanfall ließ auch die Zahl der beim Oberlandesgericht Hamm tätigen Richter ansteigen. 1905 waren neben dem Oberlandesgerichtspräsidenten bereits sieben Senatspräsidenten und 32 Oberlandesgerichtsräte in der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts tätig.

1918 bis 1945

Nach dem ersten Weltkrieg, in dem 27 Beamte der Justizbehörden und Rechtsanwälte des Hammer Bezirks gefallen waren, übernahm 1919 der damalige Reichsgerichtsrat Franz Ludwig Reiff das Amt des Oberlandesgerichtspräsidenten in Hamm. In seine Amtszeit fällt das 100-jährige Oberlandesgerichtsjubiläum, das - den damaligen Verhältnissen Rechnung tragend - in bescheidenem Umfang gefeiert wurde. Im Jahre 1924 löste Dr. Paul Jockwer Reiff als Oberlandesgerichtspräsident ab. Bei seinem Eintritt in den Ruhestand galt der Hammer Oberlandesgerichtsbezirk als Musterbezirk.

Im Jahre 1933 richtete die Justizverwaltung den Landgerichtsbezirk Siegen ein. Die zugleich angeordnete Auflösung des Landgerichtsbezirks Arnsberg wurde nach massiven Protesten aus der Region wenige Monate später zurückgenommen.

Zu Beginn des sogenannten „Dritten Reiches“ wurde Rudolf Schneider Präsident des Oberlandesgerichts Hamm. Seine Auswahl und Ernennung erfolgten bereits vor der nationalsozialistischen Machtergreifung, sie waren nicht Folge einer nationalsozialistischen Juristenkarriere. In den nahezu 10 Jahren seiner Präsidentschaft beim Oberlandesgericht Hamm sollte Schneider allerdings den nationalsozialistischen Umbruch von Anfang an vorbehaltlos unterstützen. Er akzeptierte den Nationalsozialismus als einzige staatliche Ordnungsmacht und war darauf bedacht, seine politische und ideologische Radikalität so weit wie möglich im Bezirk des Oberlandesgerichts umzusetzen (so beschrieben bei Hans-Eckhard Niermann, „Die Durchsetzung politischer und politisierter Strafjustiz im Dritten Reich, ihre Entwicklung aufgezeigt am Beispiel des OLG-Bezirks Hamm“, Juristische Zeitgeschichte, Bd. 3 Strafjustiz im Dritten Reich, 1995; S. 54/55).

Unter Schneiders Präsidentschaft stellten sich viele Justizmitarbeiter dem nationalsozialistischen Regime zur Verfügung. So entwickelte sich die Justiz des Oberlandesgerichtsbezirks Hamm zu einer Stütze der nationalsozialistischen Diktatur. Bis zum Jahre 1945 verurteilten allein die politischen Strafsenate des Oberlandesgerichts Hamm mehr als 15.000 Regimegegner wegen ʺVorbereitung zum Hochverratʺ oder - nach Kriegsbeginn - auch wegen ʺWehrkraftzersetzungʺ zu langjährigen Zuchthausstrafen. Ähnlich hart bestraften die dem Oberlandesgericht unterstehenden Sondergerichte in Bielefeld, Dortmund, Essen und Hagen weitere ca. 12.000 Angeklagte wegen ʺHeimtückevergehenʺ oder als ʺVolksschädlingeʺ bzw. ʺKriegswirtschaftverbrecherʺ. Das Oberlandesgericht Hamm und die Sondergerichte verhängten in dieser Zeit mindestens 350 Todesurteile (so beschrieben bei Hans-Eckhard Niermann, „Die Durchsetzung politischer und politisierter Strafjustiz im Dritten Reich, ihre Entwicklung aufgezeigt am Beispiel des OLG-Bezirks Hamm“, Juristische Zeitgeschichte, Bd. 3 Strafjustiz im Dritten Reich, 1995; S. 1/2). Zudem ordneten die Amtsgerichte in ihrer Funktion als sog. Erbgesundheitsgerichte die Zwangssterilisation einer Vielzahl von Frauen, Männern und Kindern an.

Ab 1933 wurden über 100 meist jüdische Justizbeamte im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm aus ihren Ämtern vertrieben, u.a. 36 höhere jüdische Beamte aufgrund des sog. Berufsbeamtengesetzes vom 07.04.1933 und der 1935 in Kraft getretenen, sog. Nürnberger Rassegesetze aus dem Dienst entlassen. Bis 1938 verloren 166 Rechtsanwälte durch das sog. Gesetz über den Ausschluss von der Rechtsanwaltschaft ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage (so beschrieben bei Hans-Eckhard Niermann, „Die Durchsetzung politischer und politisierter Strafjustiz im Dritten Reich, ihre Entwicklung aufgezeigt am Beispiel des OLG-Bezirks Hamm“, Juristische Zeitgeschichte, Bd. 3 Strafjustiz im Dritten Reich, 1995; S. 41–49).

Hans Semler, seit 1943 Nachfolger Schneiders im Amt des Oberlandesgerichtspräsidenten, war überzeugter Nationalsozialist und bereits 1933 ein ʺalter Kämpferʺ der Bewegung. Deswegen wurde der zuvor im Ostwestfälischen als Rechtsanwalt und Notar tätige Jurist 1936 mit nur 34 Jahren zunächst Generalstaatsanwalt in Hamm und zum 01.03.1943 mit 41 Jahren sodann Präsident des Oberlandesgerichts in Hamm. Hinter beiden Entscheidungen stand die NSDAP als Partei und keine auf die übertragenen Ämter bezogene fachliche Qualifikation Semlers. Auf eigenes Betreiben wurde Semler im September 1944 zur Wehrmacht eingezogen. Sein Amt als Präsident des Oberlandesgerichts Hamm sollte er danach nicht wieder ausüben.

Ab 1943 erschwerten die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges die Arbeit des Gerichts. Anfang des Jahres 1945 kam der Dienstbetrieb völlig zum Erliegen. Mehrfache Bombentreffer, darunter der letzte Angriff auf die Stadt Hamm überhaupt, der mit Sprengbomben am 19. März stattfand, hatten das Gerichtsgebäude erheblich beschädigt, im Unterschied zu weiten Teilen der Stadt Hamm aber nicht vollständig zerstört.

Nachkriegszeit

Ende Mai bzw. Anfang Juni 1945 nahm die Verwaltung des Oberlandesgerichts Hamm, einer Anordnung der alliierten Besatzungsmächte folgend, ihre Geschäfte wieder auf und bereitete die Wiedereröffnung der Rechtsprechung in den Amts- und Landgerichten des Bezirks sowie beim Oberlandesgericht vor, die bis Ende des Jahres 1945 abgeschlossen war. Der nach Kriegsende von den Besatzungsmächten zum Oberlandesgerichtspräsidenten ernannte Senatspräsident Dr. Ernst Hermsen gab sein Amt 1946 wieder auf, nachdem bekannt geworden war, dass er als Vorsitzender zweier Strafsenate des Oberlandesgerichts Hamm in den Jahren 1933 bis 1937 wesentlichen Anteil an der politisch motivierten Strafrechtsprechung hatte.

Auf Dr. Hermsen folgte 1946 Dr. Josef Wiefels, der dann nahezu 15 Jahre an der Spitze des Hammer Oberlandesgerichts stand. In seine Amtszeit fiel die Vereinigung der Länder Nordrhein-Westfalen und Lippe, in deren Folge der Landgerichtsbezirk Detmold zum Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm hinzukam. Dr. Wiefels erreichte zudem den Neubau des Oberlandesgerichtsgebäudes an seinem jetzigen Standort an der Heßlerstraße in Hamm, der in den Jahren 1955 bis 1959 verwirklicht wurde.

Im Zuge des Architektenwettbewerbs für den Neubau wurden 22 Entwürfe eingereicht. Das Preiskomitee verlieh am 15. Dezember den 1. Preis an den Architekten Matthias aus Preußisch-Oldendorf.[1] Die Grundsteinlegung fand dann am 22. September 1955 statt und das Richtfest am 9. Mai 1956. Während der Errichtung des Neubaus kam es am 23. Mai 1957 zu einem schweren Unglück. Durch den Umsturz eines Silos bei Zementarbeiten wurden zwei Poliere tödlich verletzt.[2] Die Einweihung konnte am 5. Mai 1959 gefeiert werden.

Das alte Gerichtsgebäude am Friedrichsplatz - heute Theodor-Heuss-Platz - wurde von der Stadt Hamm übernommen und wird seit dem 5. Dezember des Jahres 1959 als Rathaus genutzt.

Dem Hammer Oberlandesgerichtsbezirk gehörten in den 1950er-Jahren zehn Landgerichte und elf Amtsgerichte an. Nach Kriegsende war er der größte Oberlandesgerichtsbezirk der Bundesrepublik Deutschland und ist es bis heute geblieben.

Auf Dr. Wiefels folgten in den Jahren 1961 bis 1967 Dr. Heinrich Rempe und in den Jahren 1967 bis 1975 Dr. Franz Hense als Oberlandesgerichtspräsidenten. In der Amtszeit Dr. Henses feierte das Oberlandesgericht am 01.07.1970 sein 150-jähriges Bestehen. Die im Wesentlichen bis Mitte der 1970er-Jahre vollzogene kommunale Gebietsreform führte zur Auflösung zahlreicher kleiner Amtsgerichte – im Hammer Bezirk blieben 78 bestehen - und zur Neugliederung der Amtsgerichtsbezirke. Das veränderte auch den Zuschnitt der 10 Landgerichtsbezirke, deren Zahl nicht verringert wurde. Der Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm blieb ebenfalls erhalten. In ihm lebten 1970 ca. 8.550.000 Einwohner. Beim Oberlandesgericht Hamm arbeiteten seinerzeit 115 Richterinnen und Richter in 22 Zivil- und fünf Strafsenaten.

Von 1975 bis 1988 übte Otto Tiebing das Amt des Hammer Oberlandesgerichtspräsidenten aus. In seiner Amtszeit wurden 1977 beim Oberlandesgericht Hamm erstmals Senate für Familiensachen eingerichtet, eine Folge der damaligen Reformgesetzgebung zum Ehe- und Familienrecht. Auch die Anzahl der Zivilsenate nahm aufgrund eines insgesamt steigenden Geschäftsanfalls zu. Da das Gerichtsgebäude an der Heßlerstraße nicht über genügend Räumlichkeiten verfügte, wurden ab 1977 zunehmend Einheiten der Gerichtsverwaltung in im Stadtgebiet angemietete Räumlichkeiten ausgelagert.

Nach Tiebing stand Dr. Heinz Palm von 1989 bis 1995 dem Oberlandesgericht Hamm als Präsident vor. In seine Amtszeit fiel die Wiedervereinigung Deutschlands. In den ersten Jahren der deutschen Einheit konnten zahlreiche Kolleginnen und Kollegen des Hammer Bezirks beim Aufbau der Justiz in dem jungen Bundesland Brandenburg mithelfen.

21. Jahrhundert

Erst Gero Debusmann, von 1996 bis 2008 Präsident des Oberlandesgerichts Hamm, gelang es, den dringend benötigten Bau zur Erweiterung und Modernisierung des Gerichtsgebäudes an der Heßlerstraße durchzusetzen. Nach rund vierjähriger Bautätigkeit waren die Arbeiten im Jahre 2004 abgeschlossen. Dem Oberlandesgericht und der Staatsanwaltschaft Hamm stehen seitdem ein modernes Justizgebäude mit ca. 35.000 m² Nutzfläche zur Verfügung. Seit dem Jahre 2009 wurde das Oberlandesgericht Hamm durch Johannes Keders als Präsident geleitet. Er schied im Jahr des 200. Geburtstages des Oberlandesgerichts aus dem Amt aus.

SEK-Einsatz am OLG

Am 1. Juni 2011 drohte ein 48-Jähriger damit, sich vor dem Oberlandesgericht mit seinem Saab in die Luft zu sprengen. Mit einem Polizeihund und dem Einsatz eines Spezialeinsatzkommandos wurde der Fahrer des Autos überwältigt. Der Saab, in dem sich zwei Propangasflaschen, zwei größere Bezinkanister aus Blech und drei kleine Reservekanister befunden hatten, wurde sichergestellt. Der 48-jährige Mann wurde in einer psychiatrischen Klinik untergebracht.

Am 9. Mai 2022 wurde Olaf Wicher, gebürtig aus Hamm, von NRW-Justizminister Peter Biesenbach zum neuen Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Hamm ernannt.[3]

Bedienstete beim Oberlandesgericht Hamm

Oberlandesgerichtspräsidenten

Richter beim Oberlandesgericht

Den als Senat bezeichneten Spruchkörpern des Oberlandesgerichts gehören eine vorsitzende Richterin oder ein vorsitzender Richter und beisitzende Richterinnen und / oder beisitzende Richter an. Senatspräsident/in und Oberlandesgerichtsrat/rätin lauteten ihre Dienstbezeichnungen bis zum Jahre 1967. Seither lauten die Dienstbezeichnungen Vorsitzende Richterin / Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht und Richterin / Richter am Oberlandesgericht.

Beim Oberlandesgericht waren als Richter/in tätig:

Außerdem: In Hamm tätige Oberstaatsanwälte und Generalstaatsanwälte

Ein Oberstaatsanwalt leitete die seit dem Jahre 1849 bei den preußischen Obergerichten eingerichteten Staatswaltwaltschaften. Als Oberstaatsanwälte waren in Hamm tätig:

  • (1849–1857) Grasshoff
  • (1858–1873) Rocholl
  • (1873–1878) Hecker
  • (1879–1902) Hermann Irgahn
  • (1902–1905) Zaehle
  • (1905–1909) Peterson
  • (1909–1920) Dr. Schulze-Sölde

Die Leiter der obergerichtlichen Staatsanwaltschaften erhielten 1920 die Dienstbezeichung "Generalstaatsanwalt". In Hamm waren als Generalstaatsanwälte tätig:

  • (1921–1923) Dr. Schulze-Sölde
  • (1924–1932) W. Hohmann
  • (1933–1935) Walter Freiherr von Steinaecker
  • (1936–1943) Hans Semler
  • (1943–1945) Karl Günter Joel
  • (1945–1957) Dr. Wilhelm Kesseböhmer
  • (1958–1964) Richard Ahmann
  • (1964–1973) Erich Heimeshoff
  • (1974–1988) Dr. Wolfgang Geißel
  • (1988–1999) Rudolf Mosqua
  • (1999–2000) Lothar Sent
  • (2001–2015) Manfred Proyer

Seit dem Jahre 2015 wird die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm von einer Generalstaatsanwältin geleitet:

  • (2015-heute) Petra Hermes

Über- und nachgeordnete Gerichte

Wie jedem Oberlandesgericht ist dem Oberlandesgericht Hamm der Bundesgerichtshof übergeordnet.

Nachgeordnet sind die Landgerichte in Arnsberg, Bielefeld, Bochum, Detmold, Dortmund, Essen, Hagen, Münster, Paderborn und Siegen mit den zu den Bezirken dieser Gerichte gehörenden Amtsgerichten. Die Präsidialamtsgerichte in Dortmund und Essen nehmen eine Sonderstellung ein. Bei der Wahrnehmung ihrer Verwaltungsaufgaben unterstehen sie unmittelbar dem Oberlandesgericht Hamm, nur im Bereich ihrer Rechtsprechungsaufgaben sind ihnen die Landgerichte in Dortmund und Essen übergeordnet.

Zum Landgerichtsbezirk Hagen gehört unter anderem das für die Oberlandesgerichtsbezirke Hamm und Düsseldorf zuständige zentrale Mahngericht, eine Abteilung des Amtsgerichts Hagen.

Weitere Fotos vom Oberlandesgericht

Adresse

Heßlerstraße 53
59065 Hamm
Telefon: (02381) 272-0
Fax: (02381) 272-518

Stele zur Stadtgeschichte

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Weblinks

Literatur

  • Klaudia Sluka: Ein Hort des Rechts. In: Westfalenspiegel Nr. 4. 2020. S. 10-14
  • Zahlen und Fakten. In: Westfalenspiegel Nr. 4. 2020. S. 15
  • "In Westfalen ist die Verhandlungskultur offener". In: Westfalenspiegel Nr. 4. 2020. S. 16-18 (Interview mit OLG-Präsident Johannes Keders durch Annette Kiehl)
  • Marin von Braunschweig: "Leben live". In: Westfalenspiegel Nr. 4. 2020. S. 18-19 (Petra Hermes als erste Frau, die die Generalstattsanwaltschft Hamm leitet)
  • Bernd Berke: Mitten im Geschehen. In: Westfalenspiegel Nr. 4. 2020. S. 20-21 (Beitrag zur Auststellung "Fotografieren verboten! Die Gerichtszeichnung". Ausstellung im Gustav-Lübecke-Museum Hamm zum 200-jährigen bestehen des Oberlandesgerichts Hamm)

Einzelnachweise

  1. vgl. Aus der Chronik der Stadt Hamm. Wichtige Ereignisse vom 1. Juli 1953 – 30. Juni 1954. In: Friedhelm Kaiser (Hrsg.): Heimat am Hellweg. Kalender 1955 für Hamm und den Landkreis Unna. Unna o.J. (1954), S. 110.
  2. vgl. Aus der Chronik der Stadt Hamm. Wichtige Ereignisse vom 1. Juli 1956 bis 30. Juni 1957. In: Friedhelm Kaiser (Hrsg.): Heimat am Hellweg. Kalender 1958 für Hamm und den Landkreis Unna. Unna o.J. (1957), S. 111.
  3. Wa.de vom 12. Mai 2022