Kraftwerk Westfalen
Das Kraftwerk Westfalen war ein kohlebefeuertes Großkraftwerk der RWE Power AG (bis 2000 VEW) in Hamm-Schmehausen am östlichen Ende des Datteln-Hamm-Kanals. Es war von der A 2 und dem Glaselefanten weithin sichtbar. Das Kraftwerk bestand im Endausbau aus fünf Blöcken (A–E), wovon vor der Schließung nur noch der mit einer Nennleistung von 800 Megawatt ausgestattete Block E in Betrieb war.
Größtes Bauwerk der Anlage war – mit einer Höhe von 122 Metern und einem Durchmesser von 92 Metern – der Nasskühlturm des Blocks C, der 2021 gesprengt wurde. Zwei ältere Ventilatorkühltürme mit je 34 Metern Höhe ergänzten das Kühlsystem. Auch diese wurden zurückgebaut.
Das Kraftwerk wurde hauptsächlich mit Steinkohle betrieben. Zuletzt wurden außerdem Klärschlamm und Ersatzbrennstoffe eingesetzt.
Auf dem gleichen Gelände lag auch der 1989 stillgelegte THTR-300. Ebenfalls auf dem Gelände plante man ab etwa 1975, das Kernkraftwerk Hamm (KKH) zu errichten, ein 1300-Megawatt-Kernkraftwerk mit Druckwasserreaktor der so genannten Konvoi-Baureihe. Dieser Plan wurde 1988 aufgrund der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl verworfen. Seit Dezember 2024 ist auf dem Gelände ein Batteriespeicher mit 140 Megawattstunden Kapazität in Betrieb, der zur Netzstabilisierung beitragen soll.
Geschichte
Die Baugenehmigung des Kraftwerks wurde am 6. Juli 1960 erteilt. Drei Jahre später nahm das Kraftwerk 1963 mit zwei 152-Megawatt-Blöcken (A und B) seinen Betrieb auf. 1969 wurde der Standort um einen weiteren Block (C) mit einer Nettoleistung von 284 Megawatt ergänzt. Während die Blöcke A und B noch für eine Mischfeuerung mit Öl ausgelegt waren, wurde Block C von vornherein für den alleinigen Einsatz von Steinkohle konzipiert.
Ende der 1980er-Jahre wurde das Kraftwerk mit einer Entschwefelungs- und Entstickungsanlage ausgerüstet. Im Zuge dessen wurden zwei 150 Meter hohe Schornsteine durch einen neuen, 200 Meter hohen Kamin ersetzt.
Seit 2001 wurde eine ConTherm-Anlage betrieben, mit der aus Ersatzbrennstoffen Pyrolysegas und Pyrolysekoks erzeugt und anschließend im Block C verstromt wurden. Diese Anlage wurde Ende 2009 außer Betrieb genommen.
Noch am 29. August 2008 legte Bundeskanzlerin Angela Merkel den Grundstein für die ebenfalls mit Kohle befeuerten Blöcke D und E, die im Juni bzw. Dezember 2012 den kommerziellen Betrieb aufnehmen sollten. Tatsächlich kam es nach einem Salzsäureunfall nie zur Inbetriebnahme des Blocks D, während Block E planmäßig – und zuletzt als einzig verbliebener Block – bis 2021 in Betrieb war. Der WA schrieb in diesem Zusammenhang von einem „Milliardengrab“.[1]
Bereits mit Wirkung ab 28. Februar 2011 wurden die Blöcke A und B stillgelegt. Der Block A wurde um 21:22 Uhr und der Block B um 21:30 Uhr zum letzten Mal vom Netz getrennt.
Im Zuge eines gestiegenem Bewusstseins für den Klimawandel in den 2010er-Jahren und der dadurch veränderten Vorzeichen für die deutsche Energiewirtschaft wurde schließlich ein bundesweiter Ausstieg aus der Kohleverstromung beschlossen, wodurch auch das Aus für dieses Kraftwerk besiegelt wurde. Der Betrieb wurde am 8. Juli 2021 eingestellt. Von der Schließung waren die verbliebenen 166 Mitarbeiter betroffen. Der Generator von Block E soll danach zur Stabilisierung der Netzspannung zu einem „rotierenden Phasenschieber“ umgebaut werden.[2]
Am 30. September 2021 wurde der 1969 errichtete Kühlturm des Blocks C erfolgreich gesprengt. An der Stelle des Kraftwerks wird eine Grünfläche geschaffen.[3] Von Februar bis März 2022 wurden auch die kleineren Kühltürme dem Erdboden gleich gemacht.[4]
Im März 2022 spekulierte der Westfälische Anzeiger, dass im Zuge des Verzichts auf russisches Gas nach dem Beginn des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine eine Wiederinbetriebnahme des modernen Blocks E möglich sein könnte.[5] Bislang ist dies jedoch nicht erfolgt.
Da der Standort aufgrund der vorhandenen Netzanbindung besonders dafür qualifiziert ist, nahm RWE auf dem Gelände des einstigen Kraftwerks Westfalen einen Batteriespeicher in Betrieb. Für rund 90 Millionen Euro wurden dazu in Schrankbauweise 690 Lithium-Ionen-Blöcke auf 14.000 m² Fläche verbaut, die rund 140 MWh Speicherkapazität bereitstellen.[6] Die Bauarbeiten begannen im Juni 2023, die Anlage ging im Dezember 2024 in Betrieb.[7] Neben den Batterien wurde auch die benötigte Netzinfrastruktur errichtet, darunter Hochspannungs-Transformatoren für das 110-Kilovolt-Netz.[8]
Fotos
Presseberichte
Einzelnachweise
- ↑ Andreas Wartala: „Kraftwerk Westfalen: So schnell macht RWE das Milliardengrab in Hamm dicht“ in: wa.de vom 04. Dezember 2020]
- ↑ „Ende einer Ära: RWE-Kraftwerk in Hamm endgültig vom Netz“ in: wa.de vom 08. Juli 2021
- ↑ Andreas G.-Mantler, Markus Hanneken, Rabea Wortmann, Svenja Jesse: „Kühlturm-Crash fasziniert Tausende: Fotos und Videos“ in: wa.de vom 30. September 2021
- ↑ Ulrich Wille: „Wahrzeichen sind weg: Die letzten Kühltürme des Kraftwerks Westfalen abgerissen“ in: wa.de vom 2. März 2022
- ↑ Frank Lahme: „Hammer Kohlekraftwerk als Alternative zum Gas? Durchaus möglich...“ in: wa.de vom 4. März 2022
- ↑ Cedric Sporkert: Großer Batteriespeicher: RWE investiert deutlich mehr Millionen in Hamm als zuletzt berichtet. In: wa.de vom 9. November 2022
- ↑ 220 Megawatt zur Stabilisierung des Netzes: RWE stellt Batteriespeicher in Hamm und Neurath fertig. Pressemitteilung von RWE vom 14. Februar 2025.
- ↑ Sandra Enkhardt: RWE stellt Batteriespeicher mit 220 Megawatt/235 Megawattstunden in Deutschland fertig. In: pv-magazine.de vom 14. Februar 2025.