Widumstraße 1
Dieser Artikel behandelt das Baudenkmal Widumstraße 1, für das dort ansässige Restaurant Torino siehe hier. |
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Das heutige Wohn- und Geschäftshaus Widumstraße 1 wurde in den Jahren nach dem großen Stadtbrand 1741 als zweigeschossiges, zum Marktplatz hin giebelständiges Etagenwohnhaus errichtet.
Baubeschreibung
Das Gebäude steht auf einer annähernd quadratischen Grundfläche von 16,8 x 13,60 Meter. Es wurde als zweigeschossiges und zum Markt giebelständiges Etagenwohnhaus über einem hohen Kellersockel errichtet. Dabei nutzte man offenbar den Keller des brandvernichteten Vorgängerbaus. Der besteht aus Backstein, ragt etwa 50 Zentimeter aus dem heutigen Erdreich und ist mit zwei Kreuzgratgewölben abgedeckt, die durch einen Gurtbogen geschieden sind und unterschiedliche Grundflächen aufweisen. Die Ausbildung der darüber stehenden Fachwerkkonstruktion des Hauses ist augenblicklich wegen der verputzten Fassade nicht näher zu erfassen, aber über dem massiven Sockel sicherlich stöckig verzimmert.
Die Fassadenseite zum Kirchplatz (Markplatz) wurde dreiachsig, zur Widumstraße siebenachsig gestaltet, wobei jeweils in der Fassadenmitte eine Haustür angeordnet wurde. Möglicherweise war daher die Fachwerkkonstruktion von Anfang an hier nicht sichtbar gestaltet, sondern verputzt oder geschlämmt. Das Dach wurde als Vollwalmdach ausgeführt, wobei die Sparren von zwei stehenden Stühlen getragen werden, die unter der unteren der beiden Kehlbalkenlagen stehen. Die Stühle mit von geraden Kopfbändern im Längs- und Querverband ausgesteiften Säulen stehen unter jedem zweiten Gebinde, dabei wurden die Stuhlrähme zwischen die Säulen gezapft.
Ab 1894 werden nach einem Besitzwechsel erste kleinere Umbauten vorgenommen. Hierbei werden die bislang nicht unterkellerten Wohnräume zusätzlich unterkellert (Kellerdecke mit preußischen Kappen auf Eisenträgern) und der steigbare Schornstein wird durch einen russischen Schornstein ersetzt. Auf der Giebelseite zum Kirchplatz wurde seitlich des Hauseinganges jeweils ein Schaufenster eingebaut. Durch weitere verschiedene Umbauten ist das Erdgeschoss im Laufe der Zeit stärker verändert worden, doch blieben dennoch bis heute die meisten der tragenden Wände erhalten.
Geschichte der Hausstätte
Die Hausstätte Widumstraße 1 (alt: Nro 366) bewohnte 1734 der Gerichtsschreiber Caspar Ludwig Bordelius († 1752), der 1738 Maria Christina Klönne heiratete. Diese war die Tochter des Gerhard Klönne († 1722), der Bäckermeister und Gastwirt sowie Richtmann der Bäckerzunft war und für 1715 als Besitzer des Hauses ausgewiesen ist. Nach dem Stadtbrand von 1741 ließen die Eheleute Caspar Ludwig Bordelius das Haus 1743 neu errichten. 1763 erbte Kramer und Gastwirt Carl Adolph Bordelius († 1789) als einziger Sohn das Haus von seinen Eltern, wo er auch 1766 wohnte. Er ließ einen großen Saal anbauen. Seine Witwe Clara Catharina Bordelius geb. Asbeck († 1797) vermietete von 1791 bis 1796? für eine jährliche Miete von 40 Reichstalern das Lokal an die Loge in Hamm. Bereits 1795 verkaufte sie für 5300 Reichstaler (inklusive Nro 364 / Widumstraße 3) das Haus an den aus Altena stammenden Kaufmann Johann Hermann Opderbeck. 1802 kaufte Medizinalrat Dr. med. Christian Pröbsting († 1813) für 3710 Reichstaler (zusammen mit Nro 364) das Gebäudeensemble in nothwendigen Subhastations Sachen der Opderbeckschen Grundstücke. Nach seinem Tode bewohnte die Witwe Pröbsting geb. Catharine Theodore Caroline von der Mark (ca. 1779–1821) das Haus Nro 366, zwischen 1822 und 1824 begegnen wir Friedrich Kapp, dem Direktor des Gymnasium Hammonense (ab 1824) als Mieter. Sanitätsrat Dr. med. Wilhelm Pröbsting, Sohn des Medizinalrats Christian Pröbsting, ist als Besitzer und Bewohner für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts belegt (1831-1892). 1902 betrieb die 1873 gegründete Weinhandlung C. Wittenstein, deren Stammhaus sich auf der Weststraße im Cölner Dom befand, im Hause ein Filialgeschäft (Wittenstein, C., Weinhandlung, Widumstr. 1).
Heutige Nutzung
Seit 1984 befindet sich in diesem Haus das Restaurant Torino.
Baudenkmaleintrag
Das Gebäude ist bedeutend für die Geschichte des Menschen in Hamm und die Entwicklung der dortigen Arbeits- und Produktionsverhältnisse. Für die Erhaltung und Nutzung des Hauses liegen wissenschaftliche, volkskundliche und städtebauliche Gründe vor.
Das Gebäude ist ein wichtiger Beleg für die ältere Stadtgeschichte der Stadt Hamm. Zusammen mit den wenigen anderen Gebäuden, die nach den großen Stadtbränden von 1730 bis 1741 in der Altstadt von Hamm errichtet worden sind, dokumentiert das Gebäude die Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse der Stadt im 18. Jahrhundert. Nur im Vergleich mit den wenigen weiteren Gebäuden werden die unterschiedlichen Bauformen deutlich, die im Zuge des Wiederaufbaus zur Anwendung kamen und die zeitgenössische Diskussion um die beste Form der Architektur und die angemessene Ausgestaltung der Häuser entsprechend der verschiedenen Lebensgewohnheiten dokumentieren. Das Haus Widumstraße 1 ist hierbei ein durchaus moderner
Bautyp, da es als zweigeschossiges, reines Wohnetagenhaus errichtet worden ist und in seiner Fachwerkkonstruktion eine schlichtere Ausführung des beispielhaften Hauses Südstraße 8 (Vorschulze) darstellt. Zudem dokumentiert der wohl ältere
Keller eine noch ältere Bauphase der Stadt und ist ein wichtiges Zeugnis der Bebauungsgeschichte von Hamm.
Das Gebäude gehört zu den wenigen älteren Bauwerken aus der vorindustriellen Zeit, die heute noch in der Innenstadt von Hamm erhalten sind. Trotz der verschiedenen Änderungen, die in der äußeren Gestalt und insbesondere im Erdgeschoss des Hauses vorgenommen worden sind, ist das Gebäude noch immer in seinen wesentlichen Elementen erhalten, die letztendlich den Denkmalwert begründen. Dies sind das tragende Kerngerüst des Hauses einschließlich der älteren, gewölbten Kelleranlagen sowie der Türen im Obergeschoss und das Dachwerk. Der 1949 errichtete Anbau an der Nordwand ist allerdings nicht Teil der denkmalwerten Substanz. [1]
Fotos
Literatur
- N.N.: Baudenkmalbeschreibung No. 312, Stadt Hamm - 65/Untere Denkmalbehörde
Geografische Koordinaten
Koordinaten: 51° 40' 52.6" N, 7° 49' 13.3" O
Einzelnachweise
- ↑ vgl. Denkmalwertbegründung - zitiert nach der Denkmalliste der Stadt Hamm, Bestandsverzeichnis lfd. Nummer 312