Ehemaliger jüdischer Friedhof

Der ehemalige jüdische Friedhof, über dessen Alter keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, befand sich am Nordenwall zwischen der Stadtburg bzw. dem Renteihof und dem Franziskanerkloster.

Das Gelände des ehemaligen jüdischen Friedhofs am Nordenwall 2007 (etwa der Parkfläche in der Bildmitte entsprechend)

Ersterwähnung 1768

Erstmalig erwähnt wird er 1768, als General Karl Friedrich von Wolffersdorff und die jüdische Gemeinde Abmachungen über die die Besitzverhältnisse des Friedhofs getroffen haben. Der jüdische Friedhof war früher von einer Mauer umgeben, die allmählich verfallen war, so dass das Gelände als Holzplatz des angrenzenden Renteihofes benutzt wurde. Vorsteher Anschel Hertz und Carl Friedrich von Wolffersdorff schlossen nun 1768 einen Vertrag, der am 24. Juli 1768 vom Kammerdeputationskollegium in Hamm bestätigt wurde. Eickhoff hat den Quellentext wie folgt wiedergegeben:

Da wir bisher aus Mangel des Platzes, weil (wir) den Hofraum (des Schlosses) zu Sr. Majestät Dienst, (nämlich) die Paraden darauf zu exerzieren, brauchen müssen, gezwungen wurden, das Brennholz gleich am Schloss oder sogenanntem Rentei-Hof auf dem Wall, wo jedoch die löbliche Judenschaft seit undenklichen Jahren ihren Kirchhof gehabt, zu legen, dermalen aber diese Köngliche geschützte und privilegierte Judenschaft willens (ist), eine Mauer um ihren auf dem Nordenwall gelegenen Kirchhof wie vorhin zu ziehen: So ist dato (jetzt) von dem Oberältesten und Vorsteher der Märkischen Judenschaft, Herrn Amschel Herz, solches mir vorgestellt und demnach unter uns verabredet, dass zu keinen Zeiten dieser Platz als zum heiligen Gebrauch, die Gebeine ihrer Voreltern darauf bis zur Ewigkeit zu bewahren und ihre Grabstätte alldort zu haben, definiert sein solle, und niemand dran wie von alters her als auch jetzt das geringste Recht habe oder sich anmaßen dürfe, wie denn sofort auch alles Holz davon wie Rechtens werde räumen lassen, und da auch vorhin eine Mauer um selbigen gewesen, so habe mich zugleich hierdurch auf das bündigste anheischig gemacht, für die Summe von 300 Talern, als 200 Taler Courant und 100 T. Louisd´or, über deren Empfang zugleich quittiere, eine Mauer um diesen von jeher gehabten und von der löblichen Judenschaft ganz ungestört besessenen Kirchhof ziehen zu lassen, als nämlich in der Länge des Kirchhofs von vier Fuß hoch über der Erde auf demselben Grund, wo ehedem die Mauer gewesen, welche anfängt gleich an der Mauer des sogenannten Schloss- oder Renteihofes bis inklusive an das Kloster, wo die sogenannte Judengasse vom Walle ihren Anfang nimmt, dass nach Messung des Kgl. Herrn Landbaumeisters Risse der Juden Kirchhof nach dem Renteihof oder Ostenseite 23 Reinfuß breit ist und in der Mitte 16 Reinfuß und unten nach der Westseite 16 Reinfuß und die ganze Länge vom Schloss oder Renteihof bis nach der Judengasse 194½ Fuß halte, und da zu dieser Mauer die Steine, Kalk, Sand und Leimen (?) auch Mauer- und Handlangerlohn selbst bar bezahlte (bezahlten) ungefähr so hoch, wie oben erwähnt, sich auch belaufen wird, so rekuriere zugleich auf das bündigste vor mich und meine Nachkommen, zu keinen Zeiten etwa noch praeterhores (?) dieserwegen zu formieren, noch zu gestatten, dass solche von anderen geschehn, da Alles bar von der löblichen Judenschaft, wie vorhin erwähnt, hinwiederum bezahlt (ist), vielmehr versichere bei parole d´honneur (die)selbe bei dieser länger als 100jährigen Gerechtigkeit zu schützen, wobei jedoch annoch bedungen, dass man der hiesigen Judenschaft die Mauer zu niedrig und solche höher machen wolle oder ein Expollier (?) darauf zu setzen, es ihnen allerdings nach Belieben frei stehe, jedoch solches alsdann auf ihre Kosten machen müssen wie nicht weniger die Türe zum Eingang, Schloss und sonstiges Eisenwerk.

Zu wahrer Urkund und Festhaltung habe bereits dieses nicht allein eigenhändig unterschrieben, sondern auch mit dem Regimentssiegel, auch mit meinem angeborenen Freiherrlichen Petschaft besiegelt. So geschehen Hamm im Standquartier Oktober-März des 1768.ten Jahres.

Friedrich von Wolffersdorf, Sr. Majestät des Königs v. Preußen bestallter Gen. Major von Allerhöchst dero Armee und Chef eines Regiments Infanterie.[1]

Verlegungsüberlegungen 1800 / Aufhebung 1825

Als 1800 der Ostenfriedhof vor den Toren der Stadt Hamm angelegt wurde, erreichte Anschel Hertz, der in Hamm wohnende Obervorsteher der klevisch-märkischen Judenschaft, durch eine Eingabe an die Kriegs- und Domänenkammer in Hamm, dass der jüdische Friedhof zunächst beibehalten werden konnte. Nachdem jedoch 1824 das Franziskanerkloster aufgehoben worden war, erging im Februar 1825 die behördliche Verfügung, dass auch auf dem jüdischen Friedhof keine Bestattungen mehr vorgenommen werden durften. Obwohl die Neubestattungen nunmehr auf dem jüdischen Teil des Ostenfriedhofs erfolgten, befanden sich noch in den 1920er Jahren mehr als 20 Grabsteine auf dem alten jüdischen Friedhof. Noch 1927 existierte im Besitz der jüdischen Gemeinde eine Zeichnung des Friedhofes, die der königlich preußische Landbaumeister der Grafschaft Mark Gottfried Risse angefertigt hatte. Auf ihr waren folgende Einzelheiten zu sehen: An der Stelle, wo später die Wohnungen der Verwaltungsbeamten des Gefängnisses standen, befand sich das Haus des Landbaumeisters Risse, dann folgte die Judengasse (später Franziskanerstraße), dann die Klostergebäude mit dem Klostergarten (im Jahre 1927 das Gefängnis von 1857), und weiter nach Osten der Renteihausgarten (1927: Garten des katholischen Säuglingsheims, heute: Standort des Altenwohnheims). Nördlich vom Klostergarten lag damals der Judenfriedhof, nördlich von diesem der Wallgang (1927 und bis heute Nordenwall) und nördlich davon der Garten, der von Wolffersdorff gehörte. 1954 kaufte die Stadt Hamm das Areal und ließ die noch vorhandenen Grabsteine auf den jüdischen Teil des Ostenfriedhofs verbringen.[2]

Literatur

  • Anna Dartmann: Die soziale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der jüdischen Gemeinde in Hamm. 1327-1943, Hamm o.J. (= Tatsachen und Berichte 24).
  • Josef Osterhoff: 971 Taler kostete 1799 die Fläche für den Ostenfriedhof. Aus hygienischen Gründen wurden die Begräbnisstätten Hamms außerhalb des Stadtkern verlegt, in: Unser Westfalen 2007, S. 9-10.
  • Ilsemarie von Scheven: Die historischen Ringanlagen von Hamm, hrsg. vom Oberbürgermeister der Stadt Hamm, Hamm 2006, Abb. 39.

Anmerkungen

  1. Hermann Eickhoff: Aus der Kirchen- und Schulgeschichte Hamms, in: 700 Jahre Stadt Hamm, hrsg. vom Magistrat der Stadt Hamm, Hamm 1927, Nachdruck Werl 1973, S. 166.
  2. Dartmann, S. 44; vgl. Wilhelm Ribhegge: Staat, Gesellschaft und Konfession in Hamm im 19. Jahrhundert. Zur Gründung des St.-Marien-Hospitals Hamm 1849, in: Westfälische Zeitschrift 150, Paderborn 2000, S. 149-166, hier: S. 153.