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Arbeiter- und Soldatenrat

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Am Ende des ersten Weltkriegs, noch vor der Abdankung des Kaisers und seines Thronfolgers und der Übergabe der Staatsmacht an die neuen Organe der ersten deutschen Republik erfolgte in der Novemberrevolution von 1918 die Übernahme der lokalen Macht an Arbeiter- und Soldatenräte.

Bildung des Arbeiter- und Soldatenrats am 9. November 1918

In Hamm begann dieser Prozess am Morgen des 9. November 1918 mit der Absetzung der Bahnhofskommandantur und der Bildung eines Soldatenrates im Bahnhof Hamm. Daraufhin ließ der Oberbürgermeister Richard Matthei durch einen Stadtboten den Sozialdemokraten Nikolaus Osterroth zu sich rufen und bat ihn, einen Arbeiterrat aus besonnenen und ortsansässigen Gewerkschaftern zu bilden, um die Übernahme der Macht durch äußere Gruppen zu verhindern. Am Ende des Tages war Osterroth dies gelungen, wie die folgende Bekanntmachung vom gleichen Tag dokumentiert, in der auch der Standort des Rates in der Bahnhofskommandantur sowie deren Mitglieder genannt werden:

An die Zivil= u. Militärbevölkerung der Stadt Hamm

Im Einvernehmen mit der städtischen Behörde hat der unterzeichnete

Arbeiter- und Soldatenrat

die oberste Leitung der Verwaltung der Stadt Hamm an sich genommen.

Alle Behörden bleiben in ihrem Amt, alle Beamten üben die bisherige Tätigkeit weiter aus.

Die gesamte Bevölkerung wird dringend ersucht, sich den Anordnungen des Arbeiter= und Soldatenrates zu fügen. Die Ruhe und Ordnung muß strengstens aufrecht erhalten werden. Wir bitten, Massenversammlungen und Straßenaufläufe zu vermeiden und vor allem die Kinder von der Straße fernzuhalten.

Niemand soll ein Leid geschehen. Leben, Eigentum und Sicherheit sind jedem ordnungsliebenden Bürger gewährleistet.

Plünderungen und sonstige Ausschreitungen werden strengstens bestraft. Den mit Armbinden versehenen Patrouillen ist unbedingt Folge zu leisten. Die polizeilichen Sicherheitsorgane bleiben weiter in Tätigkeit.

Das Geschäftszimmer ist die Bahnhofskommandantur.

Hamm (Westf.), den 9. November 1918.

Der Soldatenrat. Ludwig Spieck. Carl Pannicke. Carl Benner. Ernst Giebert. Fritz Langohr.

Der Arbeiterrat. Arbeitersekretär N. Osterroth. Oberlandesgerichtsrat A. Freymuth. Dr. med. Martin. Fabrikarbeiter W. Lepper. Schmied Cl. Bamberg. Bergmann Joh. Taubold. Bergmann Fritz Müller. Maurer C. Meyer.

Dieser Bekanntmachung war die Bildung des Arbeiterrats vorausgegangen, der sich mit dem Soldatenrat zusammenschloss. Vor der Verhandlung mit der Stadtverwaltung hat Nikolaus Osterroth der Hammer Bevölkerung auf dem Markplatz in einer Rede gegen 19 Uhr dieses mitgeteilt, um anschließend mit der Stadtverwaltung in Verhandlungen über die politische Macht in Hamm zu treten. Die Verhandlungen wurden bis 20:30 Uhr geführt und Osterroth konnte dann in einer weiteren Ansprache an die Hammer Bevölkerung das Ergebnis mitteilen: Der Arbeiter- und Soldatenrat sowie die Stadtverwaltung haben sich gegenseitig anerkannt. Noch am gleichen Abend wurde auf dem Rathaus am Marktplatz eine rote Fahne gehisst. Eine Abordnung des Arbeiter- und Soldatenrates erreichte durch persönliche Vorsprache im Polizeigefängnis die sofortige Freilassung aller dortigen Militärgefangenen.

Politische Agenda

Die politische Agenda des Arbeiter- und Soldatenrates war vor allem, die wirtschaftliche Grundproduktion und den dafür notwendigen Verkehr aufrecht zu erhalten, die Lebensmittelversorgung der Bevölkerung sicher zu stellen und für Ruhe und Ordnung in der Stadt zu sorgen.

Hinsichtlich der wirtschaftlichen Neuordnung und der Eingliederung entlassener Soldaten rief der Rat am 12. November 1918 die Industriebetreibe auf, Maßnahmen zur Einstellung von entlassenen und arbeitslosen Soldaten zu ergreifen. Noch vor der reichsweiten Umsetzung des Acht-Stunden-Tages durch ein Abkommen zwischen Gewerkschaften und Unternehmern regte der Rat an, die Arbeitszeiten auf maximal 8 Stunden pro Wochentag zu beschränken.

Die Lebensmittelversorgung wurde durch Diebstähle, Raub und Plünderung von Eisenbahnzügen massiv beeinträchtigt, so dass der Arbeiter- und Soldatenrat sich am 18. November 1918 gezwungen war, das Standrecht gegen solche Personen zu erlassen, die auf frischer Tat ertappt wurden.

Der Arbeiterstreik vom 28. November 1918

Durch die Niederlage des Deutschen Reichs und den Waffenstillstand vom 11. November 1918 kam es zu einer massiven Rückreisewelle deutscher Soldaten von der Westfront in die Heimat. Hamm war als Eisenbahnverkehrsknoten besonders intensiv von der Rückkehr der Soldaten betroffen. Unter diesen Rückreisenden waren auch zwei Offiziere, die ihren Unmut über die Revolution dadurch zu Ausdruck brachten, dass sie am 26. November 1918 mit ihrem PKW vor dem Rathaus der Stadt vorfuhren, die dort gehisste rote Fahne herunterholten und auf dem Marktplatz verbrannten. Danach flüchteten die beiden Soldaten.

Dieses Ereignis und die anschließende Berichterstattung und Kommentierung in der katholisch orientierten Presse führten am 28. November zum Proteststreik der Arbeiterschaft in Hamm und der Bergleute in den um Hamm liegenden Zechen aus. Zu einer Protestversammlung der Soldaten auf dem Marktplatz, zu der der Arbeiter- und Soldatenrat aufgerufen hatte, zogen nun auch Bergarbeiter und Belegschaften Hammer Betriebe zum Versammlungsort. Die rote Fahne wurde wieder auf dem Rathaus gehisst.

Finanzierung und Beilegung des Fahnenstreits

Am 2. Dezember 1918 ließ der Arbeiter- und Soldatenrat die rote Fahne am Rathaus wieder einholen. Dies geschah wohl vor dem Hintergrund, dass die Stadverordnetenversammlung, die am 6. Dezember 1918 tagen sollte, um finanzielle Unterstützung für die Kosten des Arbeiter- und Soldatenrates angefragt werden sollte. Zwar waren die zentralen Köpfe des Rates, Nikolaus Osterroth und Arnold Freymuth, ehrenamtlich tätig, aber andere Personen - insbesondere die Wachmannschaften des Rates - verursachten Ausgaben. Dazu wurde die Stadverordnetenversammlung angefragt, die am 6. Dezember auch tatsächlich Mittel bewilligte, und zwar 1250 Mark für den Monat November und 12.000 Mark für den Monat Dezember.

Bedrohung von Innen

In der Nacht vom 7. auf den 8. Dezember 1918 traf im Hammer Bahnhof ein Kommando von ca. 30 Soldaten aus Hamburg ein. Beim Hamburger Marinerat waren zwei ehemalige Mitglieder des Hammer Soldatenrats vorstellig geworden und warfen dem Soldatenrat Lebensmittelschiebungen und andere Unregelmäßigkeiten vor. Sie baten um Wiederherstellung der Ordnung in Hamm, was der Marinerat aber ablehnte. Trotzdem hatte sich das Kommando nach Hamm aufgemacht. Es besetzte den Bahnhof und das Post- und Telegrafenamt und verschaffte sich Zugang zum Waffenarsenal des Arbeiter- und Soldatenrats. Zudem wurden in den Morgenstunden des 8. Dezembers alle zentralen Personen der Verwaltung und des Arbeiter- und Soldatenrates unter Zwang in den Bahnhof gebracht, darunter Nikolaus Osterroth und der Vorsitzende des Soldatenrats Bennar, aber auch Oberbürgermeister Matthei und Landrat Schulze-Pelkum.

Diese Vorgehen machte schnell die Runde in Hamm und ein Trupp Frontsoldaten machte sich mit Geschützen und Maschinengewehren auf, die Arrestierten zu befreien. Sie konnten aber in Verhandlungen mit dem Kommando diese überzeugen, dass die Vorwürfe der beiden ehemaligen Mitglieder des Soldatenrats haltlos waren. Das Kommando zog daraufhin nach Hamburg ab, ohne dass es zu einer militärischen Auseinandersetzung gekommen wäre.

Demokratische Wahlen und Auflösung des Arbeiter- und Soldatenrates

Mit den Wahlen zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 begann der Einfluss des Arbeiter- und Soldatenrates zu schwinden - auch weil sich seine wichtigsten Protagonisten nun in einem permanenten Wahlkampf befanden. Osterroth und Freymuth kandidierten für die Nationalversammlung, Freymuth auch für die preußische Landesversammlung, die am 26. Januar 1919 gewählt wurde. Am 2. März 1919 folgten dann noch die Kommunalwahlen, für die beide als Stadtverordnete antreten wollten. Wegen der einsetzenden Wahlmüdigkeit einigten sich die Hammer Parteien auf der Grundlage der beiden vorangegangenen Wahlen auf eine Einheitsliste. Die Wahl wurde so zu einem formalen Akt.

Mit dieser demokratischen Neuordnung verschwand auch die Notwendigkeit für die Existenz eines Arbeiter- und Soldatenrats. Er wurde endgültig am 30. Juni 1919 ausgelöst.

Literatur

  • Otmar Jung: Senatspräsident Freymuth: Richter, Sozialdemokrat und Pazifist in der Weimarer Republik. Eine politische Biographie. Lang, Frankfurt am Main 1989
  • Manfred Witt: Kommunale Demokratie, politisch-soziale Konflikte, wirtschaftliche Krisen: Stadt und Regio Hamm in der Weimarer Republik (1918-1932). In: Wilhelm Ribhegge (Hrsg.): Geschichte der Stadt und Region Hamm im 19. und 20. Jahrhundert. Düsseldorf 1991. S. 222 - 293