Rosa-Luxemburg-Straße

Die Rosa-Luxemburg-Straße ist eine Straße im Bezirk Heessen. Sie verbindet die Münsterstraße mit der Mansfelder Straße. Auch ein kurzes versetztes Verbindungsstück zur Uedinghoffstraße gehört noch zur Rosa-Luxemburg-Straße.

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Straßennamen sind Teil der Ortsgeschichte. Sie führen zur Geschichte hin, sie erinnern an berühmte Persönlichkeiten, an wichtige Ereignisse, sie sind Teil unseres Alltagslebens über den wir nur in Ausnahmefällen nachdenken. Und dann kommen wir plötzlich darauf, warum die Straße nach einer völlig vergessenen Person der Stadtgeschichte heißt oder wir fangen an darüber nachzudenken, was diese Flurbezeichnung eigentlich bedeuten soll. Aber nicht nur der Name an sich ist schon Anlass genug, sich mit seiner unmittelbaren historischen Umgebung zu beschäftigen, auch die Geschichte der Namensgebung ist oft äußerst spannend und zum Teil eine hochpolitische Angelegenheit. Am Beispiel der Rosa-Luxemburg-Straße in Heessen lässt sich sehr schön nachweisen, wie sehr die Namensgebung dieser Straße mit den historischen Ereignissen der jeweiligen Zeit verknüpft war.

Die Rosa-Luxemburg-Straße führt von der Mansfelder Straße zur Münsterstraße. Sie ist die Hauptstraße der ab 1914 durch den bedeutenden Architekten Alfred Fischer angelegten Zechenkolonie, die Neue Kolonie heißt, im Gegensatz zur schon 1912 entstandenen Alten Kolonie am Bockelweg. Diese Kolonie ist in ihrer Geschlossenheit ein Musterbeispiel für eine Bergmannssiedlung im Ruhrgebiet.

Die Namen der Koloniestraßen wurden durch die Verwaltung der Zeche Sachsen und nicht durch die Gemeindeverwaltung vergeben. Die Hauptstraße der Siedlung wurde Lütticherstraße genannt, eine andere Straße erhielt den Namen Hindenburgs, eine weitere wurde nach der Schlacht bei Tannenberg genannt. Da die Siedlung im Laufe des ersten Weltkriegs entstand, war es für die Zechenleitung naheliegend, die Straßen nach wichtigen Kriegsereignissen zu benennen. Auch würde die „Mansfeldsche Kupferschiefer bauende Gewerkschaft Eisleben“, der die Zeche Sachsen gehörte, mit ihren großen Industriebetrieben sicher zu den Gewinnern eines Krieges gehören. Die Kriegshandlungen begannen am 2. August 1914 ohne offizielle Kriegserklärung mit der Besetzung Luxemburgs durch deutsche Truppen. Zwei Tage danach marschierten fünf deutsche Armeen in das neutrale Belgien ein. Ihr Angriff konzentrierte sich zunächst auf Lüttich, einer gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstandenen Festung, von deren schneller Eroberung der weitere Vormarsch abhing. Die Eroberung gelang am 7. August 1914 unter Führung von Erich Ludendorff, als große Teile der belgischen Armee dem deutschen Druck wichen und sich nach Antwerpen zurückzogen. Dieser für das damalige Deutschland „heroische“ Sieg war Grund genug, die Straße nach der Festung Lüttich zu benennen. Selbst nach dem schrecklichen Ende des verlorenen Krieges, der Hungersnot des Kriegsjahres 1917, den vielen Verletzten und gefallenen jungen Deutschen dachte man nicht daran, die Straße umzubenennen. Wahrscheinlich war der eigentliche Grund der Namensgebung den Menschen, die hier lebten, nicht bewusst. Erst als 1946 die britische Militärregierung verlangte, dass alle irgendwie militaristisch gefärbten Straßennamen zu verschwinden hatten, entschied man sich, dem Antrag der kommunistischen Partei (KPD) im Rat der Stadt Heessen zuzustimmen, die Straße nach Rosa Luxemburg zu benennen. Das stieß auf den Widerstand der Anwohner, die in einem Brief mit vielen Unterschriften ihre Ablehnung begründeten: „Seit 1914, also 32 Jahre trägt die Lütticherstraße diesen Namen, ohne dass jemand Anstoß genommen hat. Jetzt, im Jahre 1946 wird ohne die Anwohner der Straße zu fragen, ihr der Name Rosa-Luxenburg-Straße (sic!) gegeben. Die Leute, die diesen Namen gewünscht haben, stellen doch wohl nur einen Bruchteil in der Gemeinde dar. Wenn man in Heessen nicht mehr an Lüttich oder Hindenburg erinnert werden will, warum lässt man dann zum Beispiel in Hamm die Sedanstraße, Roonstraße, Viktoriastraße, Moltkestraße, Friedrichstraße, Wilhelmstraße, Luisenstraße bestehen? […] Wenn aber an Städte, die eine große Vergangenheit oder Männer (Hindenburg) die uns ein Vorbild gewesen sind, nicht erinnert werden sollen, dann wünschen wir auch nicht mehr an Rosa Luxenburg oder Karl Liebknecht und dergleichen erinnert zu werden.“[1] Das war deutlich, änderte aber nichts an der Umbenennung in Rosa Luxemburg. Die Stadt Hamm richtete sich wie auch Bockum-Hövel durchaus nach der Vorgabe der britischen Militärregierung. Namen aus der Zeit des Krieges 1870/71 oder aus der Zeit der napoleonischen Befreiungskriege blieben gestattet, so dass wir bis heute in Hamm die oben genannten Namen finden, es in Bockum-Hövel ein regelrechtes „Feldherrnviertel“ gibt.

Rosa Luxemburg wurde am 5. März 1871 in Zamosc im damals russischen Teil Polens geboren. Sie studierte in Zürich Naturwissenschaften, Mathematik, Staatswissenschaften und Nationalökonomie. Mit 16 Jahren schloss sie sich der polnischen Sozialdemokratie an. Durch Heirat erwarb sie 1897 die deutsche Staatsbürgerschaft, wurde Mitglied der SPD und entwickelte sich zu einer führenden Theoretikerin und glänzenden Rednerin. Sie war Mitbegründerin der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Wiederholt wurde sie inhaftiert, zuletzt 1916-1918. Ab Januar 1919 verfolgte man sie mit Morddrohungen. Am 15. Januar 1919 wurde sie zusammen mit Karl Liebknecht von Rechtsradikalen ermordet. Bis heute ist Rosa Luxemburg eine politische Figur, auf die sich alle Strömungen der Linken, von der reformistischen bis zur radikalen, positiv beziehen. Als beispielsweise am Jahrestag ihrer Ermordung, am 15. Januar 1988, die SED eine Kundgebung an der Gedenkstätte in Ostberlin abhielt, demonstrierten oppositionelle und ausreisewillige DDR-Bürger mit einem Zitat Rosa Luxemburgs: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“ Die Demonstranten wurden verhaftet, einige erreichten ihr Ziel „rübermachen“ zu können und Bundeskanzler Helmut Kohl benutzte in der Parlamentsdebatte das „bolschewistische Flintenweib'“ als Kronzeugin gegen die DDR.

Im Jahre 1960 stellte der Ratsherr Ernst Brockhaus im Gemeinderat den Antrag, die Rosa-Luxemburg-Straße in Berliner Straße umzubenennen. Er begründete seinen Antrag folgendermaßen: „Der Name Rosa-Luxemburg-Straße passt nicht mehr in unsere Zeit. Unsere Bundesrepublik hat als demokratischer Staat die K.P.D. als illegale Organisation verboten. Es wird daher für uns in Heessen höchste Zeit, dass dieser Name geändert wird. Durch den Namen „Berliner Straße“ würden wir auch nach außen hin ein klares Bekenntnis unserer Verbundenheit mit Berlin ablegen.“ Der Vorschlag des CDU-Ratsherrn wurde jedoch gar nicht erst verhandelt. Man befürchtete, dass dieser Antrag in der Öffentlichkeit zu viel Aufsehen erregen würde. Da Rosa Luxemburg Jüdin war und es in jüngster Zeit (1960!) in Heessen Hakenkreuzschmierereien gegeben habe, wollte man gar nicht erst an solch eine politische Person erinnern und eine völlig unnötige Diskussion vom Zaun brechen. Der Rat der Stadt Heessen wollte keinesfalls den Rechtsradikalen zuarbeiten und verzichtete auf eine Diskussion um die Straßenbenennung. Die SPD-Fraktion hatte sowieso immer schon für den umstrittenen Namen gekämpft. Und so heißt die Hauptstraße der Neuen Kolonie immer noch nach Rosa Luxemburg und ist somit eine der ganz wenigen Straßen in Hamm, die überhaupt nach einer Frau benannt worden ist.[2]

Von 1984 bis 2015/2016 konnte die Rosa-Luxemburg-Straße nicht durchgängig befahren werden. In den 1980ern wurden im Rahmen der Wohnumfeldverbesserung die Fahrbahn stark verengt und die markanten Blumenhochbeete errichtet, um den Durchgangsverkehr zwischen Mansfelder Straße und Münsterstraße zu unterbinden. Ein schmaler Pkw passte zwar immer noch durch die Lücken hindurch, doch für Rettungsfahrzeuge war kein Vorbeikommen im Bereich der Hausnummern 17 bis 27. Weil im Ernstfall wertvolle Minuten vergehen können, wenn ein Fahrzeug von der „falschen“ Seite in die Straße hineinfährt, erfolgte auf Wunsch der Rettungskräfte rund um den Jahreswechsel der Rückbau.[3]

Besonderheiten

   

Einzelnachweise

  1. Stadtarchiv Hamm: Heessen, F 421: Straßenbenennungen, Ortstafeln, Wegweiser, Hausnummerierung, 1930-1951.
  2. zitiert nach Rita Kreienfeld, Quelle: Alte Homepage des Heimatverein Heessen
  3. Westfälischer Anzeiger vom 5. März 2024