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{{Dieser Artikel|beschreibt die frühere Zeche Radbod, zum Baudenkmal Radbod siehe [[An den Fördertürmen (Radbod)]], alle anderen Bedeutungen zum Suchwort '''Radbod''' siehe [[Radbod (Begriffsklärung)]].}} | {{Dieser Artikel|beschreibt die frühere Zeche Radbod, zum Baudenkmal Radbod siehe [[An den Fördertürmen (Radbod)]], alle anderen Bedeutungen zum Suchwort '''Radbod''' siehe [[Radbod (Begriffsklärung)]].}} | ||
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|Name=Zeche Radbod | |Name=Zeche Radbod | ||
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== Geschichte == | == Geschichte == | ||
=== | === Gründung === | ||
Ab [[1899]] strebte die ''Bohrgesellschaft Trier'' die Verleihung von Grubenfeldern nördlich Hamm an. Am [[8. März]] [[1900]] legte der Markscheider Wacholder Mutung für das Bohrloch Bockum 1 auf dem späteren Zechengelände ein. Erst [[1904]] wurden die Felder Bockum 1 und Hövel 1 an die ''Internationale Bohrgesellschaft'' in Erkelenz verliehen und zum Steinkohlenbergwerk Trier III zusammengeführt. Dieses wurde von einer gleichnamigen Gesellschaft betrieben. Auf Veranlassung des damaligen Bergwerksdirektors – des aus Carolinensiel in Friesland stammenden Bergassessoren a.D. [[Heinrich Janssen]] – wurde die Zeche nach dem friesischen Herzog ''Radbod'' genannt. | Ab [[1899]] strebte die ''Bohrgesellschaft Trier'' die Verleihung von Grubenfeldern nördlich Hamm an. Am [[8. März]] [[1900]] legte der Markscheider Wacholder Mutung für das Bohrloch Bockum 1 auf dem späteren Zechengelände ein. Erst [[1904]] wurden die Felder Bockum 1 und Hövel 1 an die ''Internationale Bohrgesellschaft'' in Erkelenz verliehen und zum Steinkohlenbergwerk Trier III zusammengeführt. Dieses wurde von einer gleichnamigen Gesellschaft betrieben. Auf Veranlassung des damaligen Bergwerksdirektors – des aus Carolinensiel in Friesland stammenden Bergassessoren a.D. [[Heinrich Janssen]] – wurde die Zeche nach dem friesischen Herzog ''Radbod'' genannt. | ||
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Nach den politischen Ereignissen von 1933 belebte sich das Geschäft durch Aufrüstung im Vorfeld des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]], und deshalb wurde [[1936]] der Winkhausschacht mit einem Fördergerüst und einer Schachthalle ausgestattet. Im Jahr [[1937]] wurden erstmals mehr als 1 Mio. (genau 1.046.671) Tonnen Kohle gefördert und 240.397 Tonnen Koks produziert. Zu Beginn des Krieges forderte am [[9. Mai]] [[1939]] eine erneute Schlagwetterexplosion neun Tote und 15 Verletzte und die Förderung sank durch Kriegsschäden in der Folgezeit beträchtlich. | Nach den politischen Ereignissen von 1933 belebte sich das Geschäft durch Aufrüstung im Vorfeld des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]], und deshalb wurde [[1936]] der Winkhausschacht mit einem Fördergerüst und einer Schachthalle ausgestattet. Im Jahr [[1937]] wurden erstmals mehr als 1 Mio. (genau 1.046.671) Tonnen Kohle gefördert und 240.397 Tonnen Koks produziert. Zu Beginn des Krieges forderte am [[9. Mai]] [[1939]] eine erneute Schlagwetterexplosion neun Tote und 15 Verletzte und die Förderung sank durch Kriegsschäden in der Folgezeit beträchtlich. | ||
=== Einsatz von Zwangsarbeitern === | ==== Einsatz von Zwangsarbeitern ==== | ||
Zwischen 1941 und 1945 wurde der Betrieb weitgehend mit Hilfe von Zwangsarbeitern aufrechterhalten.<ref name="hertel2018">Peter Hertel: ''Vor unsrer Haustür. Eine Kindheit im NS-Staat - früh erlebt, spät erkundet,'' Münster 2018, S. 103–136.</ref> Schon im Februar 1940 gab an der Zeche ein Lager für zivile polnische Zwangsarbeiter. Für sie und zunächst 500 Zwangsarbeiter aus der Ukraine wurde 1941 das ''Gemeinschaftslager der Zeche Radbod'' errichtet. Mitte 1942 waren Zwangsarbeiter aus der von Deutschland besetzten Sowjetunion – außer den baltischen Staaten – unter Tage eingesetzt. Im August 1942 wurden die ersten sowjetischen Kriegsgefangenen in einem durch Stacheldraht eingezäunten Barackenlager untergebracht. 1944 betrug ihre Zahl weit über 1000.<ref name="hertel2018"/> Hinter Stacheldraht gefangen waren seit 1944 auch zirka 150 italienische ''Militärinternierte'' ''(IMI)'' – Kriegsgefangene, die den Krieg auf Seiten der Faschisten nicht weiterführen wollten. | Zwischen 1941 und 1945 wurde der Betrieb weitgehend mit Hilfe von Zwangsarbeitern aufrechterhalten.<ref name="hertel2018">Peter Hertel: ''Vor unsrer Haustür. Eine Kindheit im NS-Staat - früh erlebt, spät erkundet,'' Münster 2018, S. 103–136.</ref> Schon im Februar 1940 gab an der Zeche ein Lager für zivile polnische Zwangsarbeiter. Für sie und zunächst 500 Zwangsarbeiter aus der Ukraine wurde 1941 das ''Gemeinschaftslager der Zeche Radbod'' errichtet. Mitte 1942 waren Zwangsarbeiter aus der von Deutschland besetzten Sowjetunion – außer den baltischen Staaten – unter Tage eingesetzt. Im August 1942 wurden die ersten sowjetischen Kriegsgefangenen in einem durch Stacheldraht eingezäunten Barackenlager untergebracht. 1944 betrug ihre Zahl weit über 1000.<ref name="hertel2018"/> Hinter Stacheldraht gefangen waren seit 1944 auch zirka 150 italienische ''Militärinternierte'' ''(IMI)'' – Kriegsgefangene, die den Krieg auf Seiten der Faschisten nicht weiterführen wollten. | ||
Im September 1944 ließ die Geheime Staatspolizei (Gestapo) ein Arbeitserziehungslager (AEL) als ''KZ vor Ort'' für mindestens 131 Zwangsarbeiterinnen einrichten, die zum Teil auch unter Tage arbeiten mussten. 16 von ihnen sind verschollen.<ref name="hertel2018"/> | Im September 1944 ließ die Geheime Staatspolizei (Gestapo) ein Arbeitserziehungslager (AEL) als ''KZ vor Ort'' für mindestens 131 Zwangsarbeiterinnen einrichten, die zum Teil auch unter Tage arbeiten mussten. 16 von ihnen sind verschollen.<ref name="hertel2018"/> | ||
=== Bei Kriegsende === | ==== Bei Kriegsende ==== | ||
Der Betrieb musste nach einem schweren Angriff am [[10. März]] [[1945]] schließlich am [[30. März]] eingestellt werden. Erst nach dem Einmarsch der Amerikaner am [[3. April]] konnte der Betrieb wieder aufgenommen werden. Die Zeche wurde der ''Rhine Coal Control'' unterstellt. Ende 1945 betrug die Jahresförderung nur noch 396.506 t. | Der Betrieb musste nach einem schweren Angriff am [[10. März]] [[1945]] schließlich am [[30. März]] eingestellt werden. Erst nach dem Einmarsch der Amerikaner am [[3. April]] konnte der Betrieb wieder aufgenommen werden. Die Zeche wurde der ''Rhine Coal Control'' unterstellt. Ende 1945 betrug die Jahresförderung nur noch 396.506 t. | ||
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[[Datei:Gewerbegebiet-Radbod (2012).jpg|mini|rechts|Gewerbegebiet Radbod (Juli 2012)<br/>© RVR/Hubert Harst – [https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0 Datenlizenz Deutschland]]] | [[Datei:Gewerbegebiet-Radbod (2012).jpg|mini|rechts|Gewerbegebiet Radbod (Juli 2012)<br/>© RVR/Hubert Harst – [https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0 Datenlizenz Deutschland]]] | ||
[[Datei:9769366.jpg|miniatur|Fördertürme 2007]] | [[Datei:9769366.jpg|miniatur|Fördertürme 2007]] | ||
Nach Freigabe des Geländes durch die Bergaufsicht und einer Sanierung von Altlasten auf dem Betriebsgelände wurde dieses einer Umnutzung zugeführt. Von den Anlagen über Tage bleib nur wenig erhalten. Die Fördergerüste (Modell Klönne) und die Fördermaschinenhallen der Schächte I und II stehen seit dem Jahr [[2000]] als Industriedenkmäler unter [[Radbod Schächte I und II|Denkmalschutz]]. | Nach Freigabe des Geländes durch die Bergaufsicht und einer Sanierung von Altlasten auf dem Betriebsgelände wurde dieses einer Umnutzung zugeführt. | ||
=== Gebäude und anlagen === | |||
Von den Anlagen über Tage bleib nur wenig erhalten. Die Fördergerüste (Modell Klönne) und die Fördermaschinenhallen der Schächte I und II stehen seit dem Jahr [[2000]] als Industriedenkmäler unter [[Radbod Schächte I und II|Denkmalschutz]]. | |||
In einigen Gebäuden des Haupteingangsbereiches befindet sich heute das soziokulturelle Zentrum [[Kulturrevier Radbod]]. Der Rest des Geländes wird als [[Gewerbe- und Industriegebiet Radbod]] vermarktet und genutzt. | In einigen Gebäuden des Haupteingangsbereiches befindet sich heute das soziokulturelle Zentrum [[Kulturrevier Radbod]]. Der Rest des Geländes wird als [[Gewerbe- und Industriegebiet Radbod]] vermarktet und genutzt. | ||
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Die Maschinenhallen lagen längere Zeit brach. Im Sommer 2023 will ein Hammer Architekt mit dem Umbau beginnen. Entstehen soll ein Café-Bistro mit Außengastronomie und Büros. Das historische Erbe des Gebäudes soll in das Ambiente mit einbezogen werden.<ref>Daniel Schinzig: [https://www.wa.de/hamm/bockum-hoevel-ort370528/hamm-zeche-radbod-cafe-buero-maschinenhallen-architekt-bockum-hoevel-mehmet-karademir-92265219.html „Architekt baut Café und Büros in historische Maschinenhallen“] in: wa.de vom 9. Mai 2023</ref> | Die Maschinenhallen lagen längere Zeit brach. Im Sommer 2023 will ein Hammer Architekt mit dem Umbau beginnen. Entstehen soll ein Café-Bistro mit Außengastronomie und Büros. Das historische Erbe des Gebäudes soll in das Ambiente mit einbezogen werden.<ref>Daniel Schinzig: [https://www.wa.de/hamm/bockum-hoevel-ort370528/hamm-zeche-radbod-cafe-buero-maschinenhallen-architekt-bockum-hoevel-mehmet-karademir-92265219.html „Architekt baut Café und Büros in historische Maschinenhallen“] in: wa.de vom 9. Mai 2023</ref> | ||
Schacht I und II wurden bereits vor Jahren verfüllt. | Als weitere Erinnerung an die Zeche ist eine Dampflok aus dem Baujahr 1906 erhalten geblieben, die von Beginn der 1950er-Jahre bis 1974 als „Radbod 3“ (später D 712) im Einsatz war. Sie wurde durch die [[Hammer Eisenbahnfreunde]] betrieben und auf Neben- und Zechengleisen rund um Hamm zu Nostalgiefahrten genutzt. Sie musste Ostern 2017 leider wegen eines Kesselschadens außer Betrieb genommen werden. Aufgrund weiterer umfangreicher Arbeiten an Rahmen, Fahrwerk und Kessel ist eine Wiederinbetriebnahme auf absehbare Zeit leider nicht möglich. | ||
=== Schächte === | |||
Schacht I und II wurden bereits vor Jahren verfüllt. Schacht Radbod 5 diente nach 1990 zunächst als ausziehender Schacht zur Bewetterung der Zeche Heinrich-Robert und anschließend des [[Bergwerk Ost|Bergwerks Ost]]. Seit dessen Stilllegung im September 2010 wurde der Schacht zusammen mit Schacht 6 nur noch für die Wasserhaltung genutzt. | |||
Für die Sanierung von Schacht I wurden im Dezember 2011 990.000 € durch das Land NRW bereit gestellt. Im Juli 2012 folgten weitere 300.000 € von Bund und Land für die Sanierung von Schacht II. Laut Pressebericht soll die Gesamtsanierung ca. 3,8 Mio. € kosten.<ref>[[Zeche_Radbod_(Presseberichte)#2012|Westfälischer Anzeiger vom 27. Juli 2012 in den Presseberichten]]</ref> | Für die Sanierung von Schacht I wurden im Dezember [[2011]] 990.000 € durch das Land NRW bereit gestellt. Im Juli [[2012]] folgten weitere 300.000 € von Bund und Land für die Sanierung von Schacht II. Laut Pressebericht soll die Gesamtsanierung ca. 3,8 Mio. € kosten.<ref>[[Zeche_Radbod_(Presseberichte)#2012|Westfälischer Anzeiger vom 27. Juli 2012 in den Presseberichten]]</ref> | ||
Schacht 5 (auch ''Winkhausschacht'' genannt) war unter Tage mit dem außerhalb des Stadtgebietes in Nordick liegenden ehemaligen Schacht 6 (''[[Donarfeld|Donar]]'') verbunden. Dort sollte nach Planungen der RAG und deren Tochter DSK bis [[2015]] das Bergwerk Donar entstehen, wozu es jedoch nicht mehr kam. Im Dezember 2012 wurde Schacht 5 verfüllt, Schacht 6 sollte im Januar 2013 verfüllt werden.<ref name="hammextra">[Endgültiger Rückzug von Radbod 5, Radbod 6 und Sandbochum] in: [https://web.archive.org/web/20121215050034/http://www.hammextra.de/endgueltiger-ruckzug-radbod/ hammextra.de (Archiv)]</ref> | |||
Die Verfüllung von Schacht V ermöglichte eine weitere Vermarktung von Flächen im [[Gewerbe- und Industriegebiet Radbod]]. | |||
=== Die Strecke === | === Die Strecke === | ||
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== Einzelverweise == | == Einzelverweise == | ||
<references /> | <references /> | ||
== Quelle (in Teilen) | |||
{{Wikipedia|Zeche_Radbod|234231522}} | |||
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