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Zimmertheater

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Die von Ilsemarie von Scheven erstellte Festschrift des Städtischen Musikvereins Hamm 1884-1984 schmückt eine Zeichnung des Hauses Reinoldt, in dem sich ein großer Theatersaal befand. Als ,,Haus mit den starken Männern“ war dieses Gebäude an der Ostenallee bekannt, das im Oktober 1961 abgebrochen wurde, um der Stadtbücherei Platz zu machen. Gebaut worden war es in des 80er Jahren des 19. Jahrhunderts und mit einem Theatersaal ausgestattet worden, in dem auch Operetten-Aufführungen stattfanden. Foto: Dotter
Ensemble-Mitglieder des Schauspielhauses Hamm beraten den Spielplan. Im Bild (von links) Hannes Kroeger, Franz von Moskwa, unbekannt, Franz Simon, Käthe Fuchs, Egbert von Klitzing.
Käthe Fuchs wurde im Mai 1967 von Oberbürgermeister Dr. Günter Rinsche für ihre Verdienste um das Hammer Kulturleben mit der Silbernen Ehrenplakette der Stadt Hamm geehrt. Foto: Dotter

Das Zimmertheater war ein Schauspielhaus in Hamm.

Geschichte

Das Zimmertheater mit seiner Prinzipalin Käthe Fuchs, das im Café Schulte an der Weststraße denkwürdige Theaterabende bescherte, ist vielen Hammern unvergessen. Die Premieren waren regelmäßig ausverkauft. Mit Gastspielen in der näheren und weiteren Umgebung bei Volkshochschulen oder auch in Privatzirkeln hielt sich das kleine Theater mit dem großen künstlerischen Anspruch über Wasser. Gesundheitliche Probleme zwangen die 67-Jährige Theaterchefin im Dezember 1966 zur Aufgabe. Sie hatte noch in ihrer letzten Saison mit 62 Vorstellungen 3 899 Besucher bei verschiedenen Aufführungen erfreut.

Käthe Fuchs wurde im Mai 1967 von Oberbürgermeister Dr. Günter Rinsche für ihre Verdienste um das Hammer Kulturleben mit der Silbernen Ehrenplakette der Stadt geehrt. Sie hatte ihr Theater am 22 Mai 1950 mit Hoffmannsthals „Der Tor und der Tod“ eröffnet und damit ein Stück Hammer Kulturgeschichte geschrieben.

Leicht hatte es Käthe Fuchs gewiss nicht. Bis Mai 1959, als sie ihr 40jähriges Bühnenjubiläum feierte, hatte sie bereits 95 Premieren präsentiert. Aufführungen waren regelmäßig ausverkauft. Dennoch warf das Theater nicht genug ab, um davon leben zu können. Die Künstler erhielten, wie das Kulturamt in seinen Unterlagen festgehalten hat, monatlich lediglich 20 bis 50 DM, ein Betrag, der mit der Arbeitslosenunterstützung verrechnet wurde. Nicht umsonst wurde die in Berlin geborene Lehrerstochter das ,,zähe Käthchen“ genannt, weil sie, wenn es um „ihr“ Theater ging, nicht unterzukriegen war.

Käthe Fuchs hatte Gesang studiert, Schauspielunterricht genommen und ihre Theaterlaufbahn 1919 in Eisenach begonnen. 1946 schloss sie sich in Remscheid einer neu gegründeten Spielgemeinschaft an und kam mit diesem Ensemble 1948 mit der Gründung des Schauspielhauses Hamm in die Lippestadt. Mit großen Hoffnungen hatten die Schauspieler um Lizenzträger Hans Harnier und seine Vorstandskollegen Elisabeth Reich-Richarz und Peter Siebel Hamm ausgewählt. Der Starttermin kurz nach der Währungsreform erwies sich aber als denkbar ungünstig. Da auch kräftige finanzielle Unterstützung von Seiten der Stadt ausblieb, war das Schicksal des Theaters bereits im Juli 1950 besiegelt. Es musste geschlossen werden.

Dabei hatte alles so viel versprechend angefangen. „Wir erlauben uns, Sie zur festlichen Premiere, die am Donnerstag, 7. Oktober 1948, 19 Uhr, im großen Saal des Kurhauses Bad Hamm (Westf.), Ostenallee, stattfindet, ergebenst einzuladen,“ hieß es im ersten Programmheft des Schauspielhauses Hamm, das mit Schillers „Don Carlos“ seine erste Saison eröffnete. Die Schauspieler machten sich große Hoffnungen, denn das Kulturangebot in Hamm war bisher bestens frequentiert, der Kurhaussaal ständig ausgebucht.

Den Auftakt hatte bereits Anfang Juni 1948 eine Aufführung des Schiller-Schauspiels „Die Räuber“ im Kristall-Palast gebildet. Das Stück wurde ohne Kulissen und Kostüme dargeboten. Im Verwaltungsbericht der Stadt Hamm ist nachzulesen, dass Spielleiter Hans Harnier und Tonmeister Peter Siebel dem Theaterausschuss des Rates erklärt hatten, dass sie ihr Ensemble nach Hamm verlegen möchten. Die Parlamentarier waren grundsätzlich einverstanden. Sie stellten den Kurhaussaal und den städtischen Bühnenfundus zur Verfügung. Für die Spielzeit 1948/49 wurden vier Vorstellungen in die städtische Vormiete einbezogen.

Hamm hatte damit zum ersten Mal ein eigenes Theater, für das die Bürgerschaft bei einer Sammlung sogar 8 000 DM als Startkapital beisteuerte. Zum Ensemble gehörten Carmen Andrass, Annemarie Boese-Harnier, Anny Böse-Harnier, Käthe Fuchs, Dorothea Klein, Elisabeth Reich-Richarz, Hans Gerö, Hans Harnier, Wolfgang Hiller, Hannes Kroeger, Peter Ruhnau, Ernst Schmidt, Franz Simon, Werner Strüngmann, Helmut Tromm, Hubert Unser, Heinz Rudolf Uppenkamp und Bruno Wittchen, der sich später als Autor einen Namen machte und in Hamm auch ein kleines Theater gründete. Nicht weniger als 15 Inszenierungen sah der Spielplan 1948/49 vor, darunter Goethes „Faust“ und Shakespeares „Was Ihr wollt“. Auch an Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“ wagte sich das Ensemble heran, ein Drama von brennender Aktualität, von dem es im Programmheft hieß: „Ein Stück, das kein Theater spielen und kein Publikum sehen will.“

Doch alle Mühen waren vergebens, die Kasse blieb chronisch leer. Im September 1949 wurde mit einer groß angelegten Sportveranstaltung versucht, dem Theater finanziell unter die Arme zu greifen. Bei einem Fußballspiel im Jahn-Stadion lachte das Publikum Tränen. Im Dienst der Muse machte selbst die Verwaltungsspitze mit. Wie in der Westfalenpost nachzulesen war, wurde die ,,Oberligamannschaft“ vom Amtsschimmel angeführt. In Shorts folgte Oberstadtdirektor Dr. Schultz, Stadtkämmerer Dr. Hüster trug den schmalen Stadtsäckel auf der Schulter und Stadtbaurat Haarmann hatte sich als Torwart mit einem Klappstuhl bewaffnet. Gemeinsam mit weiteren Verwaltungs- und Ratsmitgliedern traten sie gegen die Elf der Presse an, die einen Riesenfederhalter auf das Spielfeld trug. Die Schiedsrichter Karl Corzilius und Wilhelm Klumb hatten keine leichte Aufgabe. Wider alle Regeln des Sports, mit Geist und Humor und zeitweise mit zwei Bällen rollte das Fußballspiel vor 4 500 Zuschauern ab. In der Pause schwebte das Ballett des Schauspielhauses Hamm mit dem „Kaiserwalzer“ über den Rasen. Humorvoll moderiert wurde die Veranstaltung, die einen Reinerlös von 2 700 DM für das Schauspielhaus brachte, von dem Schauspieler Peter Ruhnau. Er blieb, ebenso wie Käthe Fuchs, Hamm auch treu, als das Schauspielhaus im Juni 1950 aus finanziellen Gründen geschlossen werden musste. Ruhnau übernahm später die Öffentlichkeitsarbeit der Brauerei Isenbeck und machte sich als Conferencier, unter anderem bei Modenschauen des Kaufhauses Müller-Hamm, einen Namen. Zunächst schloss er sich seiner Kollegin Käthe Fuchs an, die mit ihrem Zimmertheater die Bühnentradition fortsetzte. Nach Schließung ihres Theaters im Dezember 1966 zog sie sich nach Remscheid zurück, wo sie bis Mai 1979 ihren Lebensabend verbrachte.

Hammer Theater

Die Hammer Theatergeschichte reicht weit zurück. Für Gastspielangebote gab es zunächst keine passenden Säle. Aber schon 1828 teilte Zimmermeister Leugers von der Königstraße in einer Anzeige in der Hammer Zeitung mit, dass er in seinem Wohnhaus einen sehr geräumigen und zweckmäßigen Saal errichtet habe, der für ein Theater nichts zu wünschen übrig ließe. Er könne außerdem in demselben Haus ab 1. Januar 1929 Wohnungen für Schauspieler zur Verfügung stellen.

Der Westfälische Anzeiger berichtete am 18. Juli 1944 unter dem Titel „115 Jahre Theater in Hamm“, dass dort im ersten Theaterwinter mit drei Monaten Spielzeit Schauspiele und Opern in zwölf gut besuchten Vorstellungen dargeboten wurden. Wie der Verfasser damals schrieb, brachte die Revolution von 1848 das Theaterleben in dem Haus Königstraße/Eylertstraße zum Erliegen. Ersatz habe schon bald ein neues Theater an der Nassauerstraße im Gösslinghoffschen Hause geboten, das aber in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts wieder geschlossen worden sei. Nach dem ersten Weltkrieg sei es dann zu dem Lichtspielhaus „Odeon-Theater“ umgebaut worden, das aber nicht lange bestanden habe.

Auf Theater mussten die inzwischen 20 000 Hammer Bürger aber keineswegs verzichten. Im Herbst 1884 hatte der Unternehmer Moritz Reinoldt an der Ostenallee/Ostentor einen stattlichen Neubau errichtet, in dem sich ein Theatersaal befand. Die technische Einrichtung besorgte der Bühnenmeister des Hoftheaters Detmold. Wie im WA nachzulesen ist, war die Bühne mit Versenkraum und Schnürboden ausgestattet und hatte auch einen Eisernen Vorhang. „Die Bühnenbeleuchtung mit 80 Gaslampen in vier Rampen lieferte eine für jene Zeit unerhörte Lichtfülle“, schrieb die Zeitung. Zu dieser Zeit gab es in Hamm noch kein elektrisches Licht.

Reinoldts Theater wurde von der Theatergesellschaft unter Leitung von Direktor Heinrich Steffen, die damals auch in Münster und Detmold spielte, mit dem „Raub der Sabinerinnen“ eröffnet. Auf dem Spielplan standen Operetten und Opern, darunter „Der Freischütz“ oder „Zar und Zimmermann“. 1888 bildete Direktor Ludwig Magner eine Theatergruppe für Hamm, mit der er in den letzten Wintermonaten auch in Bielefeld gastierte. In diesen Zeiten gab es in Hamm Gastspiele anderer Theater, darunter auch das Residenztheater in Berlin.

Weiter hießt es in dem WA-Bericht: „Eine besondere Blütezeit erlebte das Hammer Theater unter der Direktion Zwenger, der mit seiner Gesellschaft gleichzeitig Herford bespielte. Da gab es zwei Jahre lang täglich volle Häuser.“ Das dürfte allerdings zu bezweifeln sein, denn das Theater am Ostentor hatte immerhin 800 Sitzplätze.

Nicht etwa das nachlassende Interesse der Hammer Bevölkerung, sondern die Baupolizei machte dem Unternehmer Schwierigkeiten. Es wurde bemängelt, dass die Gänge nicht geräumig genug seien. Da der geforderte Umbau zu teuer gewesen wäre, entschloss sich Reinoldt, sein Theater im Jahr 1900 zu schließen und im Haus Privatwohnungen einzurichten. Das Gebäude, dessen Portal große Skulpturen schmückten, war im Volksmund bekannt als „Haus mit den starken Männern“. Es überstand den Bombenkrieg und wurde 1961 abgebrochen, um der Stadtbücherei Platz zu machen.

Nächster Gastspielort in Hamm war bis 1907 der Oberg’sche Saal an der Weststraße. Dort trat, wie die frühere Stadtarchivarin Ilsemarie von Scheven herausfand, im Mai 1904 unter anderem die Volksbühne Theater Millowitsch aus Köln auf. August Oberg hatte sich mit seinem Theater aber wohl übernommen. Als auch hier die Baupolizei Auflagen machte, wurde der Betrieb eingestellt. Wie es im WA-Bericht von 1944 weiter heißt, gab es vor dem 1. Weltkrieg kurze Zeit Theateraufführungen in der Gaststätte von Wilhelm Kirchhoff an der Ecke Ostenallee/Elchstraße, bis das Lokal geschlossen wurde. Am Ende des Krieges sei der Saal eines Gartenlokals im Rietzgarten in ein Theater umgewandelt worden. Später wurde dort eine Abteilung der Hammer Schutzpolizei untergebracht.

In den 1920er Jahren gastierte das neu gegründete Westfälische Städtebundtheater einige Male im Gesellenhaus, doch der Besucherzuspruch ließ zu wünschen übrig. Erste Aufführungen im Bürgerschützenhof (heute Kurhaus) gab es laut Bericht im WA vom 15. November 1934 im Winter 1925/26 mit Gastspielen der Städtischen Bühnen Hannover. Ein Jahr später gab es bereits 14 Vorstellungen. 919 Vormieter machten die Finanzierung möglich. Die Stadt sorgte laut WA für bauliche Verbesserungen, obwohl das Gebäude noch dem Schützenverein gehörte. Der WA berichtete, dass Sparverordnungen von September 1931 dazu führten, dass der Magistrat der Stadt mit Rücksicht auf steigende Wohlfahrtskosten keine Zuschüsse mehr für das Theater bereitstellte. Die Stadttheater Hagen und Dortmund gaben dann auf eigene Rechnung Vorstellungen im 1930 eröffneten Ufa-Palast. 1932 gab es wieder Vorstellungen im Kurhaus, das inzwischen in den Besitz der Stadt übergegangen war. In der Hammer Zeitung heißt es 1934 dazu: „Infolge der nationalsozialistischen Revolution fanden die Gastspiele ein vorzeitiges Ende.“

1933/34 trat die Deutsche Bühne mit Dortmunder Gastspielen auf den Plan. Ein Jahr später hatte die NS-Kulturgemeinde die Arbeit der Deutschen Bühne übernommen und Vormieten organisiert. Der Theatersaal im Kurhaus wurde weiter ausgebaut. Ein eigenes Theater aber bekam Hamm erst, als der 2. Weltkrieg zu Ende war. Aber es hatte keine lange Lebensdauer.