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Aktuelle Version vom 5. Dezember 2020, 08:31 Uhr

Friedrich Hirzebruch auf der Tagung der Deutschen Mathematiker-Verinigung 1980 in Dortmund

Friedrich Ernst Peter Hirzebruch, (* 17. Oktober 1927 in Hamm; † 27. Mai 2012[1]) war ein deutscher Mathematiker.

Er ist bekannt sowohl für seine wegbereitenden Arbeiten in der modernen algebraischen Geometrie unter Anwendung topologischer Methoden als auch als Wissenschaftsorganisator, der sich an führender Stelle um die internationale Verflechtung der deutschen Mathematiker nach dem Zweiten Weltkrieg verdient gemacht hat.

Werdegang

Hirzebruch ging auf das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Hamm, das von seinem Vater geleitet wurde. Er studierte von 1945 bis 1950 Mathematik, Physik und Mathematische Logik an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Er wurde 1950 bei Heinrich Behnke und Heinz Hopf mit der Arbeit „Über vierdimensionale Riemannsche Flächen mehrdeutiger analytischer Funktionen von zwei komplexen Veränderlichen“ zum Dr. rer. nat. promoviert. Er war zunächst Wissenschaftlicher Assistent am Mathematischen Institut der Universität Erlangen. Von 1952 bis 1954 arbeitete er am Institute for Advanced Study in Princeton, wo er besonders mit Kunihiko Kodaira zusammenarbeitete. Dort machte er durch den Satz von Hirzebruch-Riemann-Roch international auf sich aufmerksam. 1955 habilitierte er sich für Mathematik in Münster. Nach einer Assistenzprofessur an der Princeton University, USA, in den Jahren 1955/1956 erhielt er einen Ruf auf eine Professur an die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, wo er bis zu seiner Emeritierung 1993 lehrte. Er war Gastprofessor an der University of California, Berkeley, Harvard University, University of Pennsylvania, Mathematical Sciences Research Institute (Berkeley), College de France (Paris), Institut des Hautes Etudes Scientifiques (Bures-sur-Yvette), Universität Oxford, Universität von Amsterdam, Universität Kabul, Chinesische Akademie der Wissenschaften Peking, Universität Kyoto, Instituto de Matematica Pura e Aplicada Rio de Janeiro. Er ist Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Mathematik in Bonn, das 1980 aus dem 1969 von ihm gegründeten Sonderforschungsbereich Theoretische Mathematik an der Universität Bonn hervorging. Er leitete das Institut von 1981 bis 1995. Zudem war er Präsident der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 1961/1962 und 1990, Präsident der European Mathematical Society (EMS) von 1990 bis 1994 sowie Vorsitzender des wissenschaftlichen Rates des Internationalen Banach-Zentrums für Mathematik von 1993 bis 2002. Friedrich Hirzebruch war seit 1952 verheiratet und hatte drei Kinder.

Wirken

Hirzebruch forschte insbesondere auf den Gebieten der algebraische Geometrie, Topologie , Zahlentheorie und Singularitätentheorie. Sein Werk Neue topologische Methoden in der algebraischen Geometrie, zwischen 1956 und 1995 in mehreren Auflagen erschienen und ins Englische, Japanische und Russische übersetzt, ist ein Standardwerk. Mit dem nach ihm benannten Satz von Hirzebruch-Riemann-Roch, der eine der wichtigsten Entwicklungen der modernen Mathematik einleitete, legte er 1954 die Basis für sein international hohes Ansehen. Das Theorem setzt das arithmetische Geschlecht (definiert als alternierende Summe der Dimensionen der Kohomologiegruppen der Garbe der Schnitte eines unitären Vektorbündels) mit der Todd-Klasse gleich. Es wurde in den 1950er Jahren von Hirzebruch noch mit Kobordismentheorie bewiesen; heute benutzt man den Atiyah-Singer-Indexsatz, der dieses ganze Gebiet vereinheitlichte. Mit Armand Borel gab er mit seiner Verallgemeinerung des Riemann-Roch-Satzes eine neue Interpretation von Weyls Charakterformeln für Liegruppen. In den 1960er Jahren begründete er mit Michael Atiyah die topologische K-Theorie, eine Kohomologietheorie mit Vektorraumbündeln (in dem Buch Ebbinghaus u.a. „Zahlen“ gibt er ein Beispiel für deren Anwendung auf die Klassifikation von Divisionsalgebren). In den 1970er Jahren untersuchte er u.a. algebraische Flächen wie die Hilbertschen Modulflächen. Ein weiteres Arbeitsgebiet waren besonders in den 1960er Jahren die Topologie von Singularitäten (exotische Sphären usw.), ein Gebiet auf dem auch sein Student Egbert Brieskorn in den 1960er Jahren bedeutende Ergebnisse erzielte.Ein von Hirzebruch 1954 gestelltes Problem zur Topologie algebraischer Varietäten wurde 2009 von Dieter Kotschick gelöst.Friedrich Hirzebruch kreierte die „Mathematische Arbeitstagung“, die seit 1957 die internationale Mathematiker-Elite an der Bonner Universität versammelt. Der von ihm aufgebaute Sonderforschungsbereich „Theoretische Mathematik“ erlangte internationales Ansehen. Besondere Anerkennung verdiente er sich durch den Aufbau des Max-Planck-Instituts für Mathematik in Bonn. 1958 hielt er einen Plenarvortrag auf dem Internationalen Mathematikerkongress in Edinburgh (Komplexe Mannigfaltigkeiten). Zu seinen Doktoranden zählen u.a. Don Zagier, Egbert Brieskorn, Klaus Jänich, Detlef Gromoll, Klaus Lamotke, Winfried Scharlau, Matthias Kreck und Lothar Göttsche. Viele seiner Bücher, Aufsätze und Vorträge zeichnet ein besonderes pädagogisches Geschick aus.

Vortrag in Hamm im Jahr 2002

Im Rahmen des 100-jährigen Jubiläums des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums im Jahr 2002 hielt Hirzebruch den Festvortrag und berichtete u.a. über die Zeit des 2. Weltkrieges, in dem sein Vater als Soldat teilnahm und deshalb zeitweilig von der Schulleitung entbunden war. Zudem las er aus einem Schulheft einen Deutschaufsatz vor, den er als Schüler des Gymnasiums geschrieben hatte. Das entsprechende Heft hatte seine damalige Lehrerin ihm kurz vorher zugesandt gehabt.

Über die Nachkriegszeit und sein Studium in Münster erzählte er den Zuhörern über gemeinsame Zugfahrten mit dem Privatdozenten Stein von Hamm nach Münster. Er wusste zu berichten, dass die beiden beim Wechsel der Dampfloks vor dem Zug jeweils eine halbe Stunde im Wartesaal des Bahnhofs Drensteinfurt mit der Lösung mathematischer Probleme verbrachten.

Als kleines mathematisches Themenfeld konfrontierte er seine Zuhörer mit heronischen Dreiecken, die er als Figuren mit rationalen Seitenlängen und rationalem Flächeninhalt und interessanten Eigenschaften präsentierte.

Ehrungen und Auszeichnungen

Hirzebruch erhielt zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen und Ehrendoktorate der Universitäten von Warwick (1980), Göttingen (1982), Oxford (1984), Wuppertal (1987), Notre Dame (1989), Trinity College, Dublin (1992), Athen (1993), Potsdam (1995), Konstanz (1999) und Augsburg (2007). Er war Mitglied der Leopoldina, der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste zu Düsseldorf, der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz, der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, der Sächsische Akademie der Wissenschaften sowie der Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, der Wissenschaftsakademien in den Niederlanden, Ukraine, Russland, Frankreich, Großbritannien, USA und Irland zudem der Academia Europaea, Er war zudem Ehrenmitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der American Academy of Arts and Sciences.

  • 1988: Wolf-Preis für Mathematik
  • 1991: Aufnahme in den Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste
  • 1992: Ehrenmitglied der Deutsche Mathematiker-Vereinigung
  • 1993: Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland mit Stern
  • 1996: Seki-Takakazu-Preis (Goldmedaille) der Japanischen Mathematischen Gesellschaft
  • 1996: Orden des Heiligen Schatzes, goldene und silberne Strahlen
  • 1997: Lomonossow-Goldmedaille der Russischen Akademie der Wissenschaften
  • 1999: Albert-Einstein-Medaille, Stefan-Banach-Medaille
  • 2000: Alfried-Krupp-Wissenschaftspreis
  • 2002: Helmholtz-Medaille der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
  • 2004: Georg-Cantor-Medaille der Deutschen Mathematiker-Vereinigung
  • 2006: Ehrendoktorwürde der Rumänischen Akademie der Wissenschaften

1962 und 1990 war er Präsident der Deutschen Mathematiker-Vereinigung.

Schriften (Auswahl)

  • Neue topologische Methoden in der algebraischen Geometrie, Springer-Verlag 1956, 1962. Englisch: Topological Methods in Algebraic Geometry. Springer-Verlag 1978, ISBN 3540035257.
  • mit Günter Scheja: Garben- und Cohomologie-Theorie. Aschendorff 1957.
  • mit Karl Heinz Mayer: O(n)-Mannigfaltigkeiten, exotische Sphären und Singularitäten. Springer-Verlag 1968, ISBN 978-3-540-04227-3.
  • mit Winfried Scharlau: Einführung in die Funktionalanalysis. Spektrum Akademischer Verlag 1971, ISBN 3860254294.
  • Über die quaternionalen projektiven Räume. C.H. Beck 1968, ISBN 376964378X.
  • mit Peter Hilton, Reinhold Remmert: Miscellanea mathematica. Springer 1991, ISBN 3540541748.
  • mit Heinz-Dieter Ebbinghaus, Hans Hermes u.a.: Zahlen. Springer-Verlag, Berlin 3. Aufl. 1993, ISBN 3540556540.
  • mit Gottfried Barthel, Thomas Höfer: Geradenkonfigurationen und Algebraische Flächen. Vieweg 1997, ISBN 3528089075.
  • mit Gerd Fischer, Winfried Scharlau (Herausgeber): Ein Jahrhundert Mathematik 1890–1990. Festschrift zum Jubiläum der DMV. Vieweg 1997, ISBN 3528063262.
  • mit Ciro Ciliberto, Rick Miranda, Mina Teicher: Applications of Algebraic Geometry to Coding Theory, Physics and Computation. Springer-Verlag 2001, ISBN 978-1402000041.
  • mit S. Koh, W. Neumann: Differentiable manifolds and quadratic forms. 1971, ISBN 978-0824713096.
  • mit Don Zagier: The Atiyah-Singer Theorem and Elementary Number Theory. Publish or Perish, 1974, ISBN 978-0914098126.
  • mit Gerard van der Geer: Lectures on Hilbert modular surfaces. Montreal, 1981, ISBN 978-2760605626.
  • mit Thomas Berger, Rainer Jung: Manifolds and Modular forms. Vieweg 1992, ISBN 3528064145.
  • Learning complex analysis in Münster-Paris, Zürich and Princeton from 1945 to 1953, DMV Mitteilungen 1998, Nr.2

Literatur

  • Wolfgang Ebeling: Lattices and Codes. A Course Partially Based on Lectures by F. Hirzebruch. Vieweg, Braunschweig u. a. 2002, ISBN 3-528-16497-2.
  • Winfried Scharlau: Das Glück, Mathematiker zu sein. Friedrich Hirzebruch und seine Zeit. Springer: Wiesbaden 2017, ISBN 978-3-658-14756-3

Weblinks

Anmerkungen

Quelle

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